Der Film Noir lebt. Mit seinen tristen schwarz-weißen Bildern, seiner Halbwelt, seinem Mangel an Moral. „13 Tzameti“ ist ein unscheinbarer Thriller, der schleichend an den Nerven des Zuschauers nagt. Dazu braucht es weder eine konventionelle Dramaturgie, noch emotionale Nähe zu den Figuren. Stil und Erzählung brachten Regie-Debütant Géla Babluani („The Legacy“) Vergleiche mit Roman Polanskis Frühwerk ein. So etwas ehrt. Doch sie erübrigen sich. Denn der Franzose folgt seiner eigenen Vision. Bald auch in Hollywood, wo er ein Remake seines beachtlichen Erstlings vorbereitet.
Einwanderersohn Sébastien (César-nominiert: George Babluani, „The Untouchable“), unterstützt die ärmliche Familie mit Gelegenheitsjobs. Sein jüngster führt ihn aufs Dach eines ältlichen Drogensüchtigen und seiner Schwester, wo der geschickte Handwerker Löcher stopfen und Schindeln erneuern soll. Durch Zufall belauscht er ein Gespräch seines Auftraggebers, in dem dieser von einem Brief berichtet, der all seine finanziellen Probleme zu lösen verspricht. Als es den sehnlichst Wartenden durch eine Überdosis dahinrafft, bemächtigt sich Sébastien des Schriftstücks. Doch das enthält lediglich Reiseanweisungen.
Am Auftakt steht Gemütsruhe. Der Film hat es nicht eilig, den eigentlichen Handlungskern anzusteuern. Das sorgt für Längen und lässt ihn erst an Intensität gewinnen, als der Dachdecker endgültig in die Rolle des Toten schlüpft und – von Polizeikräften unbemerkt verfolgt – den Trip ins Ungewisse wagt. Dessen Ziel zu verraten hieße die durchschlagende Wirkung des krassen Hauptteils zu trüben. Nur so viel: Sébastien wird Teil eines gnadenlosen Spiels, bei dem ein Menschenleben nicht mehr wert ist, als das von kriminellen Zuschauern auf dessen Schicksal gesetzte Geld.
Die farblose Fotografie strahlt eine Gefühlskälte aus, die sich vortrefflich über den Abgrund der unmenschlichen Freizeitgestaltung legt. Mit der Nummer 13 wird der ahnungslose Glücksritter in den mörderischen Wettstreit gesandt. Eine Wahl hat er nicht. Bei aller (visuellen) Überzeugungskraft und dem schauspielerischen Einsatz seines Bruders George geriet Babluanis Erstling nicht ganz rund. Gerade das erste Drittel nimmt mehr Zeit in Anspruch, als für die kammerspielartige Zuspitzung nötig gewesen wäre. Seine nachhaltige Wirkung verfehlt der verstörende Blick in seelische Schattenreiche ungeachtet solch kleiner Mängel nicht. Ein unbequemes Kleinod.
Wertung: (7 / 10)