13.10.2003 – Tomte / Home of the Lame – Berlin, Maria am Ufer

Ihr drittes Album, „Hinter all diesen Fenstern“, katapultierte TOMTE aus den schlammigen Hafenbecken Hamburgs unmittelbar in den unabhängigen bundesdeutschen Pop-Olymp. So ernten Thees Uhlmann, Dennis Becker, Oliver Koch und Timo Bodenstein nun die Früchte derer Arbeit, welche sie bereits mit dem erstklassigen Longplayer „Eine sonnige Nacht“ aus dem Jahre 2000 gesät hatten. Persönlich begleiten mich diese einzigartigen, leisen wie weisen Philosophien des Alltags seit nunmehr zweieinhalb Jahren. Seinerzeit spielten LAST DAYS OF APRIL im kölner Underground und präsentierten als merklich unbekannte Vorband die absolut begeisternden TOMTE, die sich bereits damals bestens auf Stimmungsmache jenseits des Publikumsgeschmackes verstanden.

Besagter Abend etablierte in meinem Geiste denn auch den schrägen Frontmann Uhlmann als wahren Prinzen verschrobener Ansagen („Wenn eine Band euch bittet, doch etwas näher zu kommen, verlasst sofort den Saal.“), daran änderte auch der denkwürdige Auftritt von LAST DAYS OF APRIL nichts. Seither ist einige Zeit verstrichen, verringert hat sich der Unterhaltungswert von TOMTE-Konzertbesuchen seither kaum. Denn die Norddeutschen verstehen sich wahrlich meisterlich darauf, ihre gedeiende Anhängerschaft mit ergreifenden Popsongs in deutscher Sprache in ihren Bann zu ziehen und diese tiefgreifende Ehrlichkeit durch flapsige Zwischentöne zu entlasten.

Somit vollzieht ein Livegig der Hanseaten stets die eindrucksvolle Gratwanderung zwischen bissiger Kleinkunst und emotionaler Offenbarung, kurzweilig und einfach immer lohnenswert. Nahtlos in dieses Gesamtbild fügt sich denn auch das Gastspiel der sympathischen Formation im Maria am Ufer ein, welches einmal mehr Gelegenheit kollektiv übergreifender Begeisterungsfähigkeit bot. Nachdem mit HOME OF THE LAME zuvor eine durchaus ansehnliche Lektion in Sachen Akustik-Pop erteilt wurde, verstrich kaum eine Viertelstunde, bis TOMTE die Bühne in Beschlag nahmen und die angemessen gefüllten Räumlichkeiten vor überschwänglichem Frohsinn zum brodeln brachten.

Dabei sorgte eine unglaubliche Spielzeit von beinahe eindreiviertel Stunden über wiederholt überragende Korrespondenzen mit den Anwesenden Gästen und hochkarätigem Sound bis hin zu einem begnadeten Set für schiere Begeisterung. Neben dem fast gänzlich vorgetragenen „Hinter all diesen Fenstern“ wurden auch hochkarätige Hits aus dem Repertoire von „Eine sonnige Nacht“ („Korn und Sprite“, „Wilhelm, das war nichts“, „The Rick McPhail Song“, „Eine sonnige Nacht“, „Passt zu meinem Kalender“ und „Mit dem Mofa nach England“) ins Spektrum vorgetragener Stücke integriert. Das die Inhalte der Songs zwar primär auf Mastermind Uhlmann und seinen Erlebniszirkel beschränkt bleiben, ändert an der metaphorischen Tragweite kein Stück.

Denn TOMTE zauberten auch in diesem Falle ehrliche Zufriedenheit auf die Gesichter der Anwesenden und befreiten selbige aus der festgefahrenen Oberflächlichkeit des Alltags. Das Thees Uhlmann zudem immer wieder verbal auf abgestandene Musikmarotten uriniert und neben schwelgerischer Arroganz auch Selbstironie nie zu kurz kommen lässt, gestaltet die ganz persönlichen, obendrein mit wohltuend schrägem Organ vorgetragenen Stücke sympathisch authentisch. Somit belegten TOMTE auch diesmal ihre schöpferische Genialität, was ihnen die Schar der geschätzt 350 sichtlich begeisterter Anhänger mit Jubelarien und ausgelassener Resonanz dankte. Eine baldige Rückkehr der Hamburger in die Hauptstadt lässt nach solch einem famosen Abend denn hoffentlich auch nicht allzu lange auf sich warten.

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