11.05.2017 – Satanic Surfers / Bitter Grounds / Damniam – Köln, Underground

Es gibt Konzerte, bei denen es in der Nachbetrachtung schwer fällt, auf Superlative zu verzichten. Der Auftritt der SATANIC SURFERS im Kölner Underground muss zweifelsfrei dazugezählt werden. Die wiedervereinten Schweden, einer der ganz großen Klassiker der europäischen Punk-Szene, hatten 2005 zum letzten Mal in der Domstadt gespielt. Ihrem Ruf – und gleichsam einer Zeitreise in die Hochphase von Burning Heart & Co. Ende der 90er – folgten die (buchstäblich) alten Fans in Scharen. Mit der Folge, dass der Club in Ehrenfeld restlos ausverkauft war.

Wenn überhaupt Zuschauer unter 30 Lenzen anwesend waren, so konnte man diese an einer Hand abzählen. Sänger Rodrigo brachte es scherzhaft auf den Punkt: die Anhängerschaft war nicht nur 20 Jahre älter, sondern auch 20 Kilo schwerer geworden. Die Laune bei den Headlinern war prächtig. Die des Pulks sowieso. Das Sinnbild der abgerissenen Location passte selten besser als hier. Denn was vor der mit einem Gitter versperrten Bühne abging, sucht wahrlich seinesgleichen. Ob die Palisade die Musiker oder das Publikum schützen sollte, blieb unklar. Auf die Lust sämtlicher Anwesenden, eine fantastische Zeit zu haben, wirkte sich das Hindernis jedoch nicht negativ aus.

Das zeigte sich bereits bei den beiden Vorbands, die als Paradebeispiele der „Hey, die klingen doch wie…“-Fraktion ausgewiesen werden dürfen. Den Anfang machten DAMNIAM aus Münster, die flott melodischen Punk mit oft mehrstimmig vorgetragenen Vocals offenbarten. Vergleiche zu GREEN DAY und THE LIVING END drängten sich geradewegs auf. Als störend erwies sich das nicht. Im Gegenteil. Die Jungs machten gute Stimmung und hatten einen Bombensound auf ihrer Seite. Mehr als das konnte fast nicht verlangt werden. Die folgenden Niederländer BITTER GROUNDS erinnerten wahlweise an RANCID oder COMMON RIDER, wobei der Gesang Tim Armstrong bisweilen zum Verwechseln ähnelte.

Auch das könnte man als (sicher nicht unberechtigte) Kritik anbringen. Aber der Street-Punk mit Ska- und Rock-Elementen heizte ordentlich ein und erwies sich als eingängig genug, um für amtliche Kurzweil zu sorgen. Nach diesem erfreulich hochwertigen Vorlauf standen die Zeichen auf Sturm. Wer gekommen war, wollte feiern. So wie früher, mit Bier, gereckten Fäusten und Kumpel-Pit. Als die SATANIC SURFERS ihr einstündiges Feuerwerk der Ausgelassenheit mit „Egocentric“ begannen, gab es nicht allein für die vorderen Reihen kein Halten mehr. Jeder Song wurde lauthals mitgegrölt, Körper prallten gegeneinander und für einen kurzen Moment vergaß das Kollektiv der Thirty- und Fortysomethings, dass es doch eigentlich längt zu alt für diesen Scheiß ist.

Was das Konzert – neben einem Set, das die Kult-Platte „Hero of Our Time“ zu großen Teilen berücksichtigte – zu etwas ganz Besonderem machte, war die Solidarität vor der Bühne. Wann immer jemand zu Boden ging oder zwischenzeitlich die Schnürriemen richten musste, helfende Hände waren sofort zur Stelle. Geeint vom oft politisch motivierten Skate-Punk lagen sich Fremde in den Armen und schmetterten die Texte von immergrünen Hits wie „Even If Time Stood Still“, „Worn Out Words“, „Why?“, „Forfeiture“, „The Ballad of Gonzo Babbleshit“ oder „U+I R1“. Der Gipfel der gemeinschaftlichen Ausschweifung wurde aber fraglos mit „Head Under Water“ erreicht, bei dem auch die letzten Dämme brachen.

Die zahlreichen Wunschtitel aus dem Publikum schmetterte Rodrigo in gewohnter Manier ab. Mit der finalen Zugabe „Armless Skater“ waren aber selbst diejenigen versöhnt, die einmal mehr vergeblich „Don’t Skate on My Ramp“ gefordert hatten. So war es schlicht ein perfekter, ach was, ein denkwürdiger Konzertabend. Natürlich fehlten relevante Kracher (etwa „Together“), nur rüttelte das nicht an einem Auftritt, der einzig als großartig bezeichnet werden kann. Sympathische Randnotiz des Spektakels: Das übergroße Banner der SATANIC SURFERS, das, eigentlich für Festival-Bühnen gedacht, lediglich die Stirn des Logo-Teufels sichtbar machte. Kommt bald wieder – wir werden schließlich alle nicht jünger!

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