Irgendwie ist der Zauber verflogen. Als sich BOYSETSFIRE (oder auch Boy Sets Fire) 2007 trennten, war da Wehmut. Die Band hatte nicht immer überzeugt (vor allem live), blieb aber doch ein langjähriger persönlicher Wegbegleiter. Für Sänger Nathan Lane allerdings sollte das weiterhin erhalten. Vor allem mit den anfangs herausragenden THE CASTING OUT. Das machte erst mal großen Spaß, auf Dauer ließ sich der Erfolg aber nicht wiederholen. Erst recht nicht mit anderen Nebenprojekten (insbesondere THE NEW RECRUITS).
So folgte Ende 2010 die Wiedervereinigung des Flaggschiffs – und das Reunion-Konzert bei den Telekom Extreme Playgrounds in Berlin. Nichts gegen die Hauptstadt, aber dieser Auftakt des zweiten Anlaufs wies doch bereits in eine Richtung, die das altgediente Indie-Herzblut zugunsten üppigerer Gagenschecks in die hinteren Reihen verbannen dürfte. Dagegen gibt es grundlegend nichts einzuwenden. Ein Beigeschmack aber blieb. Und der wird in der Nachbetrachtung ihres Gastspiels in der Kölner Essigfabrik nicht weniger schal. Denn was BOYSETSFIRE (nicht allein dort) ablieferten, hatte mit dem wuchtigen Post-Hardcore-Gewitter der Vergangenheit nicht mehr viel gemein.
Man mag das in Teilen auf die geschundene Stimme Lanes schieben, der an den softeren Songs doch deutlich weniger zu knabbern hat. An Weichspüler und nicht zuletzt weichgespültem Hardcore-Appeal war es trotzdem zu viel. Aber erst kam das Vorprogramm. Die mittlerweile fast obligatorischen RED TAPE PARADE konnten so zumindest mal unmittelbar vor derjenigen Band spielen, die sie so hinreichend abkupfert. Okay, vielleicht ist das eine Ecke zu fies formuliert, denn soo schlecht ist das zusammengewürfelte deutsche Gespann nicht (mehr). Der Sound spielte mit, das Publikum zögerte. „The Year of the Pig“, eigentlich eine verdiente Ode an SNFU-Sänger Mr. Chi Pig, wurde diesmal dem unlängst (viel zu früh) verstorbenen Tony Sly (NO USE FOR A NAME) gewidmet.
Insgesamt war der Auftritt in Ordnung. Für Begeisterungsstürme reichte es aber nicht – was bedauerlicherweise auch für die überragenden OFF WITH THEIR HEADS gelten sollte. Die fröhlichen Depri-Punks zwischen Garagen-Vollgas und Indie-Schmiss hatten live endlich mal den Sound auf ihrer Seite und schüttelten sich in den ihnen zur Verfügung stehenden 35 Minuten ohne eine einzige Ansage mehr als ein Dutzend Stücke aus allen Phasen ihres Werdeganges aus den Ärmeln. Ob nun „Janie“, „Die Today“, „Your Child is Dead“, „I Am You“, „Self Checkout“, „Drive“ oder das stets grandiose „Clear the Air“, an Hits mangelte wahrlich nicht. Nur an Publikumszuspruch.
Es regte sich (fast) nicht in den vorderen Zuschauerreihen. An der Qualität der Mannen aus Minnesota hat es nicht gelegen. Aber die brauchen wohl allmählich ihre verdiente eigene Euro-Headlinertour. Dann aber bitte nur durch die kleinen, die schummrigen Clubs. Mit denen dürften BOYSETSFIRE endgültig abgeschlossen haben. Und das nicht allein, weil das Publikum die Weichzeichner-Hits (u.a. „Requiem“, „Empire“) deutlich intensiver als früher mitsang. Für ausgelassene Stimmung unter den geschätzt 800 Zuschauern im ausverkauften Haus war also gesorgt. Wohl aber an einem ausgewogenen Set. Das Gros der Darbietungen entsprang den letzten beiden Platten „The Misery Index“ und „Tomorow Come Today“ (bsp. „Release the Dogs“, „Walk Astray“).
Früher hatte es das nicht gegeben. Das mag wieder nervtötend altklug klingen, wie der Opa mit dem Stock, dessen „Runter vom Rasen“-Geseier nur Stirnrunzeln forciert. Aber „After the Eulogy“ ist und bleibt einer der großen Genre-Klassiker der frühen Nullerjahre. Bis zu dessen Würdigung mit dem Titeltrack, „My Life in the Knife Trade“ und natürlich „Rookie“ gab es nur leider viel zu viel belangloses Geplänkel (inklusive Vorgeschmäckern auf das kommende Album) zu erleben. Die Band allerdings gefiel sich sichtlich in der Rolle des Massenspektakels. Es sei ihnen gegönnt. Von der Intensität früherer Tage ist dennoch überraschend wenig übrig geblieben.