07.10.2005 – Silverstein / Spitalfield / Needless – Berlin Magnet

silverstein-2005Ich sah einen Mann in der tosenden Menge versinken. Heraus kam nur sein Schuhwerk. Natürlich ist diese Vorstellung übertrieben, doch es heißt nicht, dass etwaige Episoden an diesem Abend im Berliner Magnet unmöglich gewesen wären. Dem Publikum in der Hauptstadt kann manches zur Last gelegt werden, nach dem Konzert von SILVERSTEIN zählen Apathie, Lethargie und Teilnahmslosigkeit definitiv nicht mehr zum erlesenen Zirkel etablierter Vorurteile. Denn in Sachen Atmosphäre und Bewegungsfreude war dieses Gastspiel kaum zu überbieten.

Dem audiovisuellen Superlativ gingen zwei Vorbands voran, die den Grundstein für ein Konzerterlebnis legten, welches den anwesenden Gästen wohl noch lange Zeit im Gedächtnis haften bleiben wird. Den Auftakt gestalteten die US-Wahlteutonen NEEDLESS. Das Quartett präsentierte Emo-Hardcore, streng nach Fahrplan zwar, dessen ungeachtet aber nicht weniger gefällig. Zweistimmig rollte das sympathische Gespann durch melodischen Gesang, gequältes Geschrei und gut gespielten Indie zwischen Rock und Core. Im bestreben, sich der Landessprache der neuen Heimat zu beugen, gab es auch einen Song auf Deutsch um die Ohren. Also auch über Qualitäten als Entertainer verfügt die junge Band, von der es in Zukunft hoffentlich mehr zu sehen und hören gibt.

Die Chicagoer Combo SPITALFIELD gab die zweite Station des Abends. Melodisch verspielter Indie-Rock mit Avancen an Pop, Punk und Hardcore ließ manch helle Mine und freudestrahlendes Gesicht zurück. Einige der Anwesenden erwiesen sich überdies als Textsicher, so dass wohl auch SPITALFIELD ihr zweites Konzert auf deutschem Boden in angenehmer Erinnerung behalten werden. Darüber hinaus machten sich erste Anzeichen für die Lust an der Bewegung in den vorderen Reihen breit. Das diese beim Höhepunkt des Abends schier explodieren würde, damit war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu rechnen.

Ihren kürzlich veröffentlichten Longplayer „Discovering the Waterfront“ im Gepäck, trafen SILVERSTEIN noch vor dem ersten Akkord auf einhellige Begeisterung. Die Mannen um den quirligen Stimmgeber Shane Told, der die Übergänge zwischen Gesang und Geschrei auch auf der Bühne perfekt zum Ausdruck brachte, brannten in den folgenden fünfzig Minuten ein wahres Feuerwerk ab. Dass der kommunikationsfreudige Frontmann neben erfolgreichen Aufforderungen zum Circle Pit auch darum bat, den erschöpften Kämpfern in den vorderen Reihen ein wenig mehr Raum zu gewähren, lässt erahnen, wie ernst SILVERSTEIN ihr Publikum nehmen. Dieses dankte es den Kanadiern im Gegenzug mit tumultartigem Mosh-Pit inklusive Crowdsurfing und Stagediving.

Das Set mit leichter Übervorteilung des aktuellen Albums bezog alle relevanten Hits des Debüts „When Broken is Easily Fixed” und der „Discovering the Waterfront”-Konserve (wo blieb eigentlich „The Ides of March“?) mit ein und zog angenehme Grenzen zwischen Melodie und Härte. Der Raumklang war nahe an der Perfektion, die Leistung der Band schweißtreibend und enervierend. Nach zwei Zugaben verabschiedeten sich SILVERSTEIN schließlich von den etwa 350 Anwesenden. Aber nur für einige Minuten, mischten sich die Musiker im Anschluss doch noch unter den Pulk der angesetzten Party. Quasi Kleinkunst zum Anfassen. Dass die Screamo-Sympathen auch in dieser Hinsicht unbedingte Nähe zum Fußvolk wahrten, setzte dem Abend zu vorgerückter Stunde das Sahnehäubchen auf.

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