Hei-Noon in Düsseldorf. Das Stahlwerk, irgendwie traditionelle Club- und Konzertlokation, feierte 20-jähriges Bestehen und hatte sich für diesen Abend etwas ganz (äh) Besonderes ausgedacht. Denn niemand geringeres als die unverwüstliche Schlagermumie Heino gab sich die Ehre und präsentierte Songs seines Hitalbums „Mit freundlichen Grüßen“. Auf dem übersetzte er im vergangenen Jahr verschiedene populäre Rock- und Pop-Nummern in die volkstümliche Wohlfühlwelt der rollenden Rs. Die Boulevard-Gazetten – und davon infiziert auch die Feuilletons – titelten öffentlichkeitswirksam vom Aufstand der Gecoverten und verhalfen dem blonden Sonnenbrillenträger aus der Landeshauptstadt zu seinem größten Charterfolg.
Mindestens als cleveren Schachzug muss man die nett-harmlose Offensive des traditionellen deutschen Schunkel-Barden zu würdigen wissen und das Heino im vergangenen Jahr mit RAMMSTEIN in Wacken auf der Bühne stand, bestätigte Befürworter und Skeptiker gleichermaßen. Von Letztgenannten war im Stahlwerk allerdings nicht viel zu sehen. Der Altersdurchschnitt bewegte sich locker in den mittleren Vierzigern und das Publikum machte schnell klar, dass es bereit war den 75-jährigen abzufeiern. Grund dafür bot der sympathisch steife Klassiker deutsch-deutscher Unterhaltungskultur genug. Die Frage, ob man das nun unbedingt erlebt haben muss, stellte sich dabei weder vor noch nach der Veranstaltung. Vorab standen die Zeichen auf Trash. Doch Heino hatte ein paar Asse im Ärmel seiner glitzernden Lederkutte.
Los ging es pünktlich um halb zehn mit dem ÄRZTE-Nachbau „Junge“. Positiv stimmte, dass der Wanderer zwischen den musikalischen Welten tatsächlich live sang und eine Band samt üppigem Background-Chor und Bläserfraktion mitgebracht hatte. Die bemüht ironischen Ansagen zwischen den Stücken allerdings waren so offenkundig auswendig gelernt, dass es fast wirkte wie eine Aufzeichnung der „ZDF-Hitparade“. Es fehlten wohl nur Bestuhlung und Jubelgreise. Nach weiteren Covern („Haus am See“, „Was soll das“, „Willenlos“) ging es aber bald in der Zeit zurück und anstatt dem Publikum einzig den „neuen“ Heino zu offenbaren, folgte im Mittelteil die Besinnung auf legendäre Grusel-Schlager wie „Blau blüht der Enzian“ oder „Schwarzbraun ist die Haselnuss“. Wem es da nicht kalte Schauer den Rücken hinunterjagte, der war vermutlich Florian Silbereisen oder dezent verkalkt hinter der Stirnrinde.
Ungeachtet seines fortgeschrittenen Alters hielt Heino souverän durch. Bei vereinzelten älteren Beiträgen („Carnaval in Rio“) erhielt er zwar stimmliche Hilfe vom Band, insgesamt aber überraschte er mit vokaler Ausdauer. Die geschätzt 1.200 Anwesenden jedenfalls hatten ihren Spaß. Als bester Song des rund eineinhalbstündigen Konzerts ging – auch wegen des leidenschaftlichen Einsatzes des dreiköpfigen Begleitchores – „Sonne“ (jene RAMMSTEIN-Interpretation) durch und als das Ende von Programm und Zugaben näher rückte, wurde Heino mit viel Applaus von der Bühne gescheucht. Wer wollte, hatte (ob mit Perücke und Sonnenbrille oder ohne) fraglos seinen Spaß und die professionelle Ernsthaftigkeit, mit der Lokalmatador Heino offenkundig nicht allein den Gagenscheck ins Visier nahm, sollte als löbliche Dreingabe nicht unerwähnt bleiben. Der Schlager jedenfalls lebt. An diesem Abend sogar weit über die anvisierte Zielgruppe hinaus.