Es gibt sie seit fast 30 Jahren und trotzdem haben WHITE FLAG noch nie in Berlin gespielt. Das soll jetzt aber nicht bedeuten, dass sich der Wert einer Band nur daran ermessen ließe, wie häufig sie in der bundesdeutschen Kapitale auftritt. Oft zog es die Kalifornier ohnehin nicht nach Europa. Das nächste Jubiläum – und den eigenen körperlichen Verfall – vor Augen, konnte der Vierer das Versäumnis (das grundlegend keines ist) einer Berlin-Visite aber ausmerzen. Ob es sich gelohnt hat? Spaß gemacht hat es sicher. Nachhallende Begeisterung musste sich darüber aber nicht breit machen.
Im Frühjahr hatten die Amis eine bemerkenswerte Split („Levitate the Listener“) mit den Luxemburger Kollegen VERSUS YOU aufgelegt. Dass die als Vorband von WHITE FLAG fungierten, schien die logische Folge zu sein. Wegen den sympathischen Melo-Punks war an diesem Abend aber kaum jemand ins mäßig gefüllte Wild at Heart gekommen. Ob es daran lag, dass sie in den vergangenen Monaten wiederholt in der Stadt gastierten? Wahrscheinlich nicht. Die Band bietet zwar ansprechenden hochmelodischen Punk in bester Neunziger-Manier, nur scheint der meist am Bewusstsein der Zielgruppe vorbei zu rauschen.
Rauschen ist auch das Stichwort bei der Umschreibung der Akustik. VERSUS YOU klangen, man muss es einfach sagen, ziemlich lausig. Wer die Songs (u.a. „The Mad Ones“, „Quid Pro Quo“) nicht kannte, dürfte außer übersteuerten Gitarren und der Andeutung hymnischen Gesangs kaum etwas registriert haben. An Einsatz wohlgemerkt mangelte es nicht. Bis zum nächsten Gastspiel dürfte es aber wohl nicht allzu lange dauern. Wer WHITE FLAG hingegen in der Hauptstadt verpasst hat, wird möglicherweise noch einmal 30 Jahre warten müssen. Wobei dies, gemessen an der Beschwerlichkeit, mit der sich Gitarrist und Sänger Pat Fear auf die Bühne wuchtete, eher unwahrscheinlich erscheint. Von Altersmüdigkeit war trotzdem nicht viel zu spüren.
Mit einiger Spielfreude und kumpelhafter Performance (inklusive bemüht belustigendem freihändigen Austrinken einer Wasserflasche) wechselte sich das Quartett – neben Fear war lediglich Drummer Trace Element von der Originalbesetzung dabei – wie gehabt bei den Vocals ab und bot eine angemessen treibende Mischung aus Rock ’n Roll und Punk. Bei all ihren Studioalben, EPs, Splits und 7″s kommt eine Menge Material zusammen. Das Gros der dargebotenen Songs bezog sich aber auf das wuchtige Frühwerk und bot mit „Kill Yourself“ oder „Demolition Girl“ stimmungsvolle Kracher alter bis ganz alter Schule. Der Spaß ersetzte die Perfektion und die Lust am freudvollen Schrammeln übertrug sich unweigerlich auch auf die zwei Handvoll Zuschauer. Spaß hat es also gemacht. Wenn auch ohne zu begeistern.