Der neue Stern am Himmel der Berliner Haute Cuisine heißt Cassiopeia. Denn wenn sich gleich zwei dort gastierende Bands für die exquisite Bewirtung bedanken, dann sollten Gaumenfreuden zugetane Hauptstadtgourmets dort möglicherweise mal verschmitzt an die Pforte klopfen. Wahrscheinlich müssen sie dafür vorangehend noch eine Kapelle gründen, aber hey, der Mensch ist schließlich kein Kostverächter. Der Dank jedenfalls kam von ASTPAI und RENTOKILL, den beiden österreichischen Vorbands der unverblümt melancholischen Punk á la HOT WATER MUSIC mit Reggae-Rhythmen mischenden Jungspunde THE FLATLINERS.
Bevor die um Drogennachschub bittend ihr Fat-Wreck-Debüt „The Great Awake“ vorstellten, war es an den deutschsprachigen Nachbarn, die Stimmung auf Kurs zu bringen. Das gelang mit Bravour. Ins Friedrichshainer Industrierudiment verirrten sich an diesem Abend nur wenige Besucher. Als ASTPAI ihr Set nach 10 Uhr begannen, waren es gerade einmal 20 Zuschauer. Bei den FLATLINERS sollte sich ihre Zahl bis auf etwa 70 mehren. Auf den ersten Blick kein adäquater Rahmen für eine weitgereiste Band, die mit ihrem erst zweiten Album für reges Rauschen im postmodernen Blätterwald, respektive dem Internet, gesorgt hatte.
Aber man kann dem Berliner Publikum viel vorwerfen, die Missachtung großartiger Bands jedoch sicher nicht. Und so wurde es ein grandioser Konzertabend, weil die Akustik mitspielte und die Zuschauer ungeachtet ihrer überschaubaren Zahlenmäßigkeit ein schieres Feuerwerk begleitender Bewegung abbrannten. Noch nicht zwingend bei ASTPAI, deren wüste Mischung aus melodischem Punk und Hardcore live doch ein Stück mehr wie aus einem Guss klang. Ihre noch aktuelle Scheibe „Corruption Concealed Under Deceptive Slogans“ wurde ausreichend bedacht, darunter glücklicherweise durch „Paving Ways in Cliché Suits“. Neue Songs gab’s auch auf die Ohren, was den sympathischen Vierer hoffentlich bald mit neuer Veröffentlichung zurückkehren lässt. Ein starker Auftakt.
Der Polit-Punk aus dem Hause RENTOKILL genießt einen erstklassigen Ruf, den die Band mit enervierenden Liveauftritten konstant untermauert. Warum hätte es diesmal anders sein sollen? Sympathisches Auftreten, kein unsinniges Phrasengedresche, dafür mitreißende Melodien und durcheinandergewirbelte Körper vor der Bühne. Stücke wie „Primetime Killers“ oder „War in the Shadows“ wurden standesgemäß abgefeiert, während bei manch überragendem neuen Beitrag gespanntes Aufhorchen angesagt war. Vom neuen Studiomaterial jedenfalls darf – nicht zuletzt wegen der Qualität des jüngsten Streichs „Antichorus“ – einiges erwartet werden.
Gerade als sich die Befürchtung auftat, das Feuer bei RENTOKILL könnte mit THE FLATLINERS erlöschen, widersprachen die putzmunteren Jungs jeder düsteren Prophezeiung. Auf einer Leinwand zur Linken flimmerte tonlos eine Episode „Knight Rider“. David Hasselhoff trug die krause Haarpracht zur Schau, was die Band anspornte, das Titelthema der Serie zu interpretieren. Später sollten sie noch die brillanten KID DYNAMITE covern – mit ASTPAI-Sänger Marco am Mikro. Obwohl der Show in Berlin nur noch das Tourende folgen sollte, sorgten die Kanadier für einen der besten Club-Gigs seit langem. Bei Songs wie „Eulogy“,„This Respirator” und allen voran „…and the World Files for Chapter 11“ war das aber auch wirklich kein Wunder. Ganz großes Kino!