Wenn das Berliner Konzertpublikum mit selten erlebtem Überschwang reagiert, so muss es sich bei der Band um eine kollektive Herzensangelegenheit handeln. Dass SNAPCASE eine solche für viele Fans des modernen Hardcores ist, darf man ungesehen glauben. Entsprechend groß war die Trauer, als die Mannen um Schreihals Daryl Taberski 2005 ihre Auflösung verkündeten. Aber im Geiste des Evergreens „Niemals geht man so ganz“ schien dies Kapitel noch nicht abgeschlossen. Ob der Entschluss einer neuerlichen Tournee aber einer spontanen Eingebung oder einem lang gehegten Anstoß zur Rückkehr ins Rampenlicht entsprang, blieb bislang offen.
Den Fans dürfte das erst einmal egal sein. Entscheidend war die Präsenz. Wer weiß schon, ob es diesen modernen Klassiker überhaupt noch mal auf deutschen Bühnen zu erleben gibt? Nachdem die bereits für April anberaumten Gigs wegen Aschewolke und dem Vulkan mit dem unaussprechlichem Namen abgesagt werden mussten, versprachen die Mannen aus Buffalo schnell Ersatztermine. Ihr Wort haben sie gehalten. Zum Abschluss der nachgeholten Europavisite verschlug es das Quintett in die bundesdeutsche Kapitale, wo geschätzt 400 begeisterte Anhänger das ausverkaufte Magnet in ein Tollhaus (mit integrierter Sauna) verwandelten.
Das Vorprogramm bestückten mit WATERDOWN nicht minder alte Bekannte. In den frühen Nullerjahren wurden die Osnabrücker Teil von Victory Records und damit zu Labelkollegen von SNAPCASE. Nach Erscheinen des dritten Albums „All Riot“ und anhaltenden Querelen mit der Plattenfirma löste die Band ihren Vertrag auf. Die Lust aber haben sie offenkundig nicht verloren. Wohl aber an Reiz, ließ der zwar motivierte, aber doch etwas saftlose Auftritt (inklusive Hits wie „Round Two“ oder „Cut the Cord“) viele der Anwesenden doch seltsam unberührt zurück. Bei neueren Beiträgen ging es ruhiger zu, fast rockig. Die Verabschiedung durch die Zuschauer war freundlich. Aber man wusste zweifelsfrei, für wen man gekommen war.
Als SNAPCASE unter tosendem Beifall die Bühne betraten und mit „Coagulate“ und „Bleeding Orange“ (die Herleitung über die Nationaltrikots der Niederländischen Kicker sorgte für allgemeine Belustigung) gleich zwei Klassiker aus dem Ärmel schüttelten, brachen im prall gefüllten und schweißtreibend hitzigen Club alle Dämme. Über die folgenden gut eineinhalb Stunden wurden im Takt Köpfe geschüttelt, Körper durch den Saal gereicht und Hände zur Unterstützung frenetischer Chöre gen feuchter Decke gereckt. Das Set, üppig bestückt mit (vor allem) alten Hits – „Caboose“, „Typecast Modulator“, „Zombie Prescription“ – begeisterte restlos und wurde bereits durch die grandiose Akustik zum echten Highlight.
Die immense Lust der sympathischen und publikumsnahen Musiker blieb stets spürbar und strafte alle Zweifler lügen, die sich ihre wohligen Erinnerungen an diese Institution des Hardcores nicht verderben lassen wollten. Älter mögen sie geworden sein. Ihre brillante Performance knüpfte dennoch nahtlos an die enervierenden Bühnenleistungen der Vergangenheit an. Auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen!