03.08.2011 – Ceremony / The Carrier / Ensign – Berlin Cassiopeia

ceremonytour2011Selten präsentierte sich eine Band angepisster und verächtlicher als CEREMONY mit ihrem Song „Sick“. Und mögen die kalifornischen Krawallschläger auf ihrem letzten Album „Rohnert Park“ auch sonst eher BLACK FLAG nachstellen, ihr ebenso roher wie wuchtiger Hardcore verfehlt seine Wirkung auch bei verhältnismäßig eingängigen Nummern wie „Main County Detention Facility“ nicht. Beide Tracks trugen die Mannen um Plärrhals Ross Farrar bei ihrem erneuten Gastspiel im Berliner Cassiopeia vor, was das Publikum im Schweißdunst des miefigen Clubs schnell zum Ausrasten brachte. Seinem Status als enervierendes Live-Erlebnis wurde das Quintett damit jedenfalls mehr als gerecht.

Zuvor regierte jedoch Kollegialität. Weil CEREMONY den im unweit gelegenen Wild at Heart aufspielenden ENSIGN offenbar nicht Zuschauer und Wasser abgraben wollten, wurden die Jungs aus New Jersey einfach ins Line Up des Abends integriert. Den Betreibern der Kreuzberger Kult-Konzertstätte schien der spontane Bühnenumzug mehr als nur sauer aufzustoßen, gab es auf der WaH-Website doch anschließend zu lesen: „What a poor bunch of hypocrits. Get the fuck out of the scene!“ So traten im Cassiopeia plötzlich fünf Combos auf, wodurch sich der Beginn enorm verfrühte und die unbemerkt vorbeigezogenen LANDSCAPES sowie ALL TEETH für dies Review keine Rolle spielen.

So begann der Abend für die zu spät Gekommenen also mit den Pharisäern von ENSIGN, die lange genug im Geschäft sind, dass man ihren Namen kennt, selbst wenn man sich nicht näher mit ihnen beschäftigt hat. Der Raum jedenfalls war prallgefüllt und der Dunst schwitzender Körper verwandelte den Saal in ein frischluftresistentes Treibhaus. Die Band machte derweil eine gute Figur, präsentierte US-Ostküsten-Hardcore klassischer Prägung und konnte auch soundtechnisch überzeugen. Im Cassiopeia bekanntermaßen keine Selbstverständlichkeit! Das kurzzeitige Öffnen des Notausgangs während der folgenden Umbaupause drängte die dicken Schweißschwaden aber nur kurz zurück. Schließlich kündigte sich mit THE CARRIER ein waschechtes Highlight an.

Zwar präsentierte sich die Akustik so verwaschen wie eh und je, die Dynamik der Bostoner machte die klanglichen Defizite aber schnell vergessen. Musikalisch erinnerte die Band an modern ruppigen Hardcore der Gangart CARPATHIAN oder VERSE. Die kundigen Publikumsteile machten aus ihrer Textsicherheit jedenfalls keinen Hehl und feierten das Gespann zünftig ab. Der nachhaltige Höhepunkt des Abends sollte aber selbstredend mit CEREMONY folgen, die neben ausreichend Hits ihrer aktuellen Platte (inklusive „Moving Principle“ und dem gemächlichen „The Doldrums“) diverse kurze Brecher ihrer ungestümen Vorwerke spielten. Bedauerlicherweise verzichteten sie auf „He – God – Has Favored Our Undertakings“ und „Birth. Conspire. Be. Upset.“. Der einsatzfreudige Pulk aber ging zünftig mit und rundete einen gelungenen Konzertabend damit spürbar ab. Anders gesehen haben dürfte man das vermutlich nur im Wild at Heart.

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