Es ist eines der letzten Festivals dieser Saison, aber das Line-Up der zweitägigen Veranstaltung versprach, dass es ein später Höhepunkt werden konnte. Freitagabends ging es los und um halb acht standen HALF PAST TWO einem leider sehr leeren Festivalgelände gegenüber. Ihre Mischung aus Rock und Punk hätte eigentlich ein paar mehr Zuschauer verdient, so jedoch musste man sich auf die persönliche Fangemeinde verlassen. Die waren aber auch zufrieden und verabschiedeten das Trio würdig von der Bühne. LOW GRAVITY CIRCUS betraten als nächstes die Bretter, durften sich über ein paar zusätzliche Zuschauer freuen, jedoch auch über eher zurückhaltende Reaktionen auf ihre etwas schmutzige Mischung aus Alternative mit Elektro-/Keybord-Einlagen. Daraufhin litt leider auch die Motivation ein wenig und die Band war vielleicht doch ein wenig erfreut, um kurz vor neun HECUBA die Publikumsführung zu überlassen. Diese waren jedoch sichtlich motivierter und ernteten mit Emo und Punk verdienten Applaus und überführten gelungen zu den drei Headlinern des Abends.
FIRE IN THE ATTIC waren einer von ihnen. Doch beim ersten Ton ging mir spontan der Satz durch den Kopf: Moment, die spielen auch außerhalb von Köln? Trommler Plotzki berichtete mir aber kurz vor dem Gig noch, dass man sich nach diversen Supportshows selbst ein Köln-Verbot erteilt hat. Von meinem selbst auferlegten Kölsch-Verbot habe ich ihm jedoch nicht erzählt. Die fünf waren zu diesem Zeitpunkt schon eine knappe Woche auf Tour. Dies sah man zum einen am immer wieder beliebten Tour-Spiel der „Bart-Charts“, aber auch daran, dass ich schon energiegeladenere Shows der Bonner gesehen habe. Vielleicht lag es aber auch daran, dass bei einem Clubauftritt mehr Stimmung aufkommt als bei einem Festival. Trotzdem war‘s ein prima Gig, Sänger Ole zog mal wieder das Publikum in seinen Bann und es flogen wieder Gitarre, Bass und Mikro munter durch die Gegend. Das Klettern auf die Boxen hätte sich der werte Kraxel-Ole vielleicht verkneifen können. Kinder machen doch immer alles nach, lieber Ole! Aber alles in allem wieder mal ein gelungener Auftritt der Herren, den auch die anwesenden Festival-Besucher mit großem Applaus quittierten.
Danach durften die fast-lokalen JUPITER JONES ran. Wie ihre Vorgänger auch eine Band der Stunde, die vielerorts für Aufsehen sorgt und sich über mangelnde Aufmerksamkeit bei Auftritten und in den Medien nicht beschweren kann. Und auch heute fanden sich wieder viele, die vom ersten bis zum letzten Lied mitsangen. Familiär könnte man fast schon sagen. Apropos Familie: Bei zwei Songs durfte noch Gast-Shouter Lollo Röhrig – hauptamtlich bei den Hardcorelern von CODY beschäftigt – mit auf die Bühne, um die JONES-Männer lautstark zu unterstützen. Mit „Wenn alles es versteh‘n“ gab es wie gewohnt auch ein paar ruhigere Töne und man ließ es sich nicht nehmen, die anscheinend nicht befreundeten MADSEN mal ordentlich durch den Kakao zu ziehen. Alles in allem wieder einmal Daumen hoch für JUPITER JONES.
Zu später Stunde – es war kurz vor eins – kreischte Ansager Michael „Gedes“ Wendling sämtliche schwächelnden Festivalbesucher und wohl auch alle Bewohner des angrenzenden Ortes wieder auf volle Aufmerksamkeit. Und das war gut so, denn DAYS IN GRIEF legten einen dermaßen gewaltigen Auftritt hin, den man aber auch keine Sekunde hätte verpassen dürfen. Der Sound blies einem die Ohren weg und stimmgewaltig wie eh und je stachelte Sänger Jörg das noch zahlreich verbliebene Publikum an. Dazu gehören bei DAYS IN GRIEF auch politische sowie soziale Statements und man merkt, dass es sich bei den Kölnern nicht um eine Schaufenster-Band handelt, sondern dass man auch etwas zu sagen hat und die Musik als Ventil benutzt. Die Anwesenden genossen einen grandiosen Auftritt mit allen Hits der beiden Alben „Portrait of Beauty“ und „Behind the Curtains of a Modern Tomorrow“.
Wären da nicht die Stagediver gewesen, die es FITA-Ole nachmachten, die Boxen erklimmten und – im Gegensatz zum Vorbild – in die Menge sprangen. Gefährliche Sache und zu recht von einigen mit Argwohn betrachtet. Ansonsten freute sich die Band über die feiernden Zuschauer, die Zuschauer freuten sich über einen großartigen Auftritt und rundum zufrieden mit einem genüsslichen Piepen im Ohr ging es ins Bettchen, voller Vorfreude auf Tag 2! Und dieser begann um halb acht mit SUPER ABSORBER aus der Pfalz. Eigentlich begann er mit den Hunsrücker Handwerkern, denn die Wellenbrecher mussten stabilisiert werden. Dies geschah mit Holzpfosten und einem Werkzeug, von dessen Existenz ich bisher aber auch rein gar nichts wusste. Aber hilfreich war‘s schon und die anwesenden betrachteten das Geschehen durchaus amüsiert. Der Zaun blieb jedoch noch erwähnenswert. Aber zurück zu SUPER ABSORBER, die zwar die unbeliebte Aufgabe des Festival-Openers, dafür aber schon weitaus mehr Zuschauer vor sich hatten als dies am Vortag um die Uhrzeit der Fall war. Schneller melodischer Punkrock, sauber gespielt und gut nach vorne gehend. Passt!
Um kurz nach acht war es Zeit für die lokalen BANGARANG, die mit einem ausgewogenen Set von improvisierter Instrumental-Polka mit leicht jazzigen Einlagen hier und da für einen wippenden Fuß oder einen zufrieden nickenden Kopf sorgen konnten. Dabei war es gut, dass sie die Sportschuhe ausgepackt hatten, denn die Bühne war groß. Danach bearbeiteten MERUYAH aus Frankfurt die selbige. Frisch geföhnt sahen die Jungs auf jeden Fall aus und bis dato waren sie mir als Geheimtipp der deutschen Emocore-Szene angekündigt worden. Musikalisch ging es dann aber doch einen Schritt in Richtung modernem Punkrock, zumindest die Songs, die ich sehen konnte. Denn für mich war erst einmal die Zeit für einen kleinen Snack gekommen.
Nach der Stärkung dann der Hauptteil des Abends, der heute hauptsächlich aus dem Münsterland kam. Zunächst MUFF POTTER. Auf Platte sind sie ab und an etwas sperrig, aber live gibt es nichts zu mäkeln. Die Songs kamen sehr druckvoll rüber, Sänger Nagel zeigte sich in eindrucksvoller Form und so spielten die Jungs ein glänzendes Set, überwiegend mit Songs der Platte „Heute wird gewonnen, bitte.“ (ganz groß: „Placebo Domingo“, „Bis zum Mond“). Aber auch die „Bordsteinkantengeschichten“ durften nicht fehlen und man kam sogar in den Genuss, etwas von der im Oktober kommenden Platte „Von wegen“ hören zu dürfen. Der Redakteur ist gespannt und dankt der Band für einen erstklassigen Auftritt.
Und schon war es Zeit für DONOTS, jene Band aus … ihr wisst schon, und man konnte merken, wie der komplette Hunsrück und die zugereisten der musikalischen Darbietung des Fünfers entgegenfieberte. Beim ersten Ton war es, als sich die Probleme des frühen Abends wieder bemerkbar machten: Der Wellenbrecher gab ob der nach vorne drängenden Menge stark nach und drängte, ganz nach der ihm vorgeschriebenen Physik, in Richtung Horizontale. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Security eigentlich die Aufgabe, ihr Lebendgewicht gegen die Physik zu stemmen und der Zaun hielt so auch. Das Set der DONOTS war gut, so wie man es erwarten konnte. Die Hits wurden gespielt, wenn ich mich recht erinnere, war „Don‘t You Know“ der Opener und das Firefuckers-Publikum dankte es mit Ekstase und Klatschen, Singen, Jubeln und dem üblichen Open-Air-Programm.
Insgesamt gefielen mir die Herren etwas besser als noch zuletzt auf Ihrer Headliner-Tour im benachbarten Koblenz. Zum einen lag das daran, dass die Spielzeit etwas kürzer gehalten wurde und zum anderen vielleicht daran, dass ich mir den Auftritt genüsslich von hinten anschauen konnte. Diesmal spielten sie „Room With a View“ ohne Piano und „We‘re Not Gonna Take It“ wurde in eine Staccato-Version umgewandelt. Auf diese Weise erhielt der Song wieder ein erfrischendes Gesicht, denn ein wenig ausgelatscht war er über die Jahre schon. Beim letzten Song gab es dann die große Überraschung, während eines Covers von JAWBREAKER tauschten die DONOTS ihre Bühnenpräsenz mit MUFF POTTER (besonders interessant war der Wechsel der Schlagzeuger Eike und Brami, die es schafften, trotzdem den Takt zu halten), die den angefangenen Song dann zu Ende brachten und sich mit „Tschüss, wir waren die DONOTS“ verabschiedeten.
Klar war das nicht das Ende, nach den obligatorischen Zugabe-Chören gab es dann noch drei an der Zahl zu hören, deren letzte standardgemäß „Goodbye Routine“ war. Ich hatte mich schon innerlich zufrieden von der Bühne abgewandt, als Ingo anfing, jemanden zu beschimpfen und Guido seine Gitarre auf die Bühne warf. Warum? Anscheinend hatte einer der Securities angefangen, einen Crowdsurfer übel zu vermöbeln. Gewundert hat mich das dann nicht sonderlich, da es leider keine Seltenheit ist, dass die Sicherheitsangestellten, teils wegen des Stresses, teils wegen mangelnder geistiger Kapazitäten auch mal eine Faust springen lassen. Auch der schon mehrmals angesprochene Zaun vor der Bühne verlangte den Jungs einiges ab, das ist aber keine Entschuldigung, bei feiernden Leuten zuzuschlagen.
Ähnlich sahen das auch die DONOTS, die mit geschwelltem Kamm die Bühne verließen. Jetzt muss man sich fragen, ob da nicht schon vorher ein Wort der Warnung an die Securities angebracht gewesen wäre. Diese gingen nämlich während des ganzen Konzertes schon nicht gerade zimperlich mit dem anwesenden Publikum um und ein kleiner Kommentar oder Hinweis von der Bühne hätte die Lage vielleicht vorher schon ein wenig entspannt. Dem war aber nicht so und so fand der DONOTS-Auftritt leider ein Ende mit fadem Beigeschmack. Dabei war der Gig an sich sehr gelungen und wieder einmal ein Beweis dafür, dass die Ibbenbürener eine erstklassige Liveband sind.
Eine ebenfalls undankbare Aufgabe dürfte es sein, einen Auftritt nach den DONOTS zu spielen. Diese Aufgabe fiel nun der SONDASCHULE zu, doch ich kann mir vorstellen, dass die Oberhausener auch zu später Uhrzeit noch ihre mitgereiste Fangemeinde und die übrig gebliebene, leicht angetrunkene Menge (für 20 Euro gab es den ganzen Abend freie Getränke) begeistern konnten. Für mich war aber schon vorher Schluss und ich machte mich auf den Heimweg. Alles in allem war ich sehr zufrieden, und trotz der angesprochenen Vorfälle war es ein grandioses Festival. Ein dickes Lob geht raus an den Veranstalter und seinen Mut, im doch eher überschaubaren Hunsrück ein Festival solcher Größenordnung abzuhalten. Wenn man im Gästebuch der Festival-Homepage liest, bekommt man leider ein negatives Bild der Veranstaltung. Dem war jedoch nicht so, zwei Tage mit erstklassigen Bands und günstiger Verpflegung sprechen für sich und ich freue mich jetzt schon auf die nächste Ausgabe im Jahr 2006.