01.09.2006 – Deconstruction Tour u.a. mit Pennywise / Boysetsfire / Bouncing Souls – Herne Gysenberghalle

pennywise-band-2006Die „Deconstruction Tour“ blickt auch in Deutschland auf eine Kontinuität zurück, die sie fast zur Tradition erhebt. Aber mit Verlaub, ein Programm wie in diesem Jahr ermuntert nicht gerade zur Vorfreude auf das nächste. Nach der Absage von THURSDAY blieben für das Gastspiel in Herne gerade fünf Bands übrig. Unabhängig vom Bekanntheitsgrad manch verbliebener Kapelle, ein wenig mehr Mühe bei der Zusammenstellung hätten sich die Veranstalter schon geben können.

Das schlägt sich allein im Opener THE CREETINS wider. Bei aller Sympathie wahrlich keine schlechte Band, aber im internationalen Vergleich doch alles andere als ein Höhepunkt. Ihr neues Album „(The) City Screams My Name“ im Gepäck gaben die Jungs aus Kiel im spielfreudigen Set denn auch jede Menge Material des neuen Longplayers zum Besten. „Electric Boy“, „High Old Time“, nicht zuletzt die FC St. Pauli-Aufstiegshymne „The Spirit is Willing“. Bei mäßigem Sound machte das Trio einen recht guten Eindruck und erinnerte wie schon auf Konserve wiederholt an FACE TO FACE mit TURBO A.C.’s-Einschlag. Wer sich zu dieser frühen Phase bereits in der Halle befand, dürfte nicht enttäuscht gewesen sein.

Mit WATERDOWN folgte, die eher mauen Darbietungen während der Umbaupausen in der Halfpipe außer Acht lassend, der Tiefpunkt des Tages. Den Quell ihres Status blieb die Osnabrücker Hardcore-Combo zumindest live einmal mehr schuldig. Mitreißen ließen sich nur wenige, in Anbetracht der schwachen Akustik kaum verwunderlich. Gespielt wurden vornehmlich Stücke des aktuellen Langspielers „All Riot“, wobei selbst das Hitpotential eines „Cut the Chord“ vom schwachen Raumklang abgewürgt wurde. Das Engagement der Jungs wurde von einigen wenigen mit Bewegung und einem Circle Pit gewürdigt, das Ende des Sets hingegen dürfte kaum jemandem aufgestoßen sein. Die Adaption des REFUSED-Smashers „Rather Be Dead“ zeugte zumindest davon, dass ein Großteil des Publikums das Interesse nicht verloren hatte.

Die nächsten im Bunde waren die BOUNCING SOULS. Einmal mehr Gast bei der „Deconstruction Tour“, einmal mehr mit neuem Album. „The Gold Record“ heißt das gute Stück, von welchem dann auch einige Songs – glücklicherweise die in subjektiver Betrachtung als beste erachteten – zu hören waren. „Lean on Sheena“, „The Gold Song“ und „So Jersey“, daneben ging es querbeet durch die bewegte Bandhistorie. Das ausgewogene Set ließ alte wie neue Fans auf ihre Kosten kommen und umschloss von „Kate is Great“ über „East Coast! Fuck You!“, „Kids and Heroes“ und „True Believers“ bis „Say Anything“ manch relevanten Hit der launigen Punk-Rocker mit Street-Charakter. Nach wiederholten Zwischenrufen des Publikums wurde selbst „Ole“ kurzzeitig angestimmt. Die Band selbst gab sich freundlich wie immer, Frontmann Greg tanzte mit weißem Hemd und rosa Krawatte wie üblich in seiner unbeholfen anmutenden Art über die Bühne. Getrübt wurde der Spaß im Grunde nur durch den mitunter miesen Klang, der vor allem zu Beginn nicht schlechter hätte ausfalle können. Insgesamt ein guter Auftritt mit feinem Gespür für die richtigen Songs.

Das Highlight des Tages stellten BOYSETSFIRE. Die Verlautbarungen der Bandauflösung schien für nicht wenige Zuschauer der einzige Grund, das Ticket zur „Deconstruction Tour“ zu lösen. Beim Auftritt des Fünfers aus Newark tummelten sich rund 2000 Zuschauer in der Halle – weit mehr als bei den anderen Konzerten. Die Abschiedstour schien auch endlich die Akustik zu beflügeln, präsentierte sich der Klang doch nah am Optimum der undankbaren Gebäudekonstruktion. Den Auftakt markierte „Walk Astray“, Opener des jüngsten Langspielers „The Misery Index“. Die meisten Songs der folgenden 65 Minuten gingen auf Kosten der letzten Veröffentlichung, der Zwischenraum wurde gewohnt nuanciert mit den größten und beliebtesten Hits gestopft. „Pure“, „Release the Dogs“, „My Life in the Knife Trade“, zum Abschluss natürlich „Rookie“ und „After the Eulogy“. Mal Hardcore, mal Indie-Rock, zumeist die Mischung beider Spielarten. Das Publikum tobte, bei Ankündigung der sich in Kürze vollziehenden Aufsplittung erntete Sänger Nathan eine Woge des Zorns. Eine Plastikflasche verfehlte ihn nur knapp. Er deutete es als Zeichen der Anerkennung. BOYSETSFIRE verabschiedeten sich mit einem Knall, gaben trotz des verletzungsbedingten Ausfalls von Gitarrist Josh noch einmal alles und versetzten die Anwesenden in einen Rausch der Verzückung. Wir werden euch vermissen!

Als Rausschmeißer durften dann PENNYWISE noch einmal eine Stunde lang Vollgas geben. Der Saal leerte sich im Vorfeld bereits ein wenig. Nach BOYSETSFIRE würde es die Punk-Rock-Institution schwer haben – so viel stand fest. Zwar finden die Alben der Band immer weniger den Weg in die heimische Anlage, doch bedeutet ein Konzert von PENNYWISE nachhaltig die Auffrischung vergangener Jugendtage. PENNYWISE sind schließlich nicht irgendwer. Das stellten sie einmal mehr unter Beweis. Es gibt wohl keine Band, die ihren Namen auf der Bühne öfter erwähnt, die ohne Scheu oder Anflüge von Peinlichkeit ausgewaschene „Fuck Bush“-Phrasen drescht und das Wort „Motherfucker“ häufiger benutzt als ICE-T in der Hochphase des Gangsta-Rap. Es gibt feinfühligere Bands. Sicher. Auch abwechslungsreichere. Doch können diese kaum ein solches Hitarsenal auffahren, welches von „Society“ bis „Every Single Day“, „Pennywise“ bis „Same Old Story“, „Alien“ bis „Unknown Road“ gleich reihenweise zum Mitgrölen animiert. Natürlich war auch die „Bro Hymn“ am Start, wie üblich aus unzähligen Kehlen intoniert. Abgerundet wurde die Party vom obligatorischen „Blitzkrieg Bob“-Cover. Es passte einfach. Der Holzhammer wurde bei PENNYWISE wie üblich wenig sparsam eingesetzt. Dafür liebt man sie. Die Masse an Hits ist ohnehin nicht von der Hand zu weisen. Dem Publikum hat’s gefallen. Uns auch.

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