Belgien, deine Festivals. Dass nicht nur das großartige Groezrock immer eine Reise wert ist, sondern auch deutlich kleinere und intimere Open Air-Veranstaltungen, bewies zum Augustauftakt das Brakrock im beschaulichen Duffel bei Antwerpen. Dort, zwischen einer Burgruine und dem Fluss Nete, warteten zwei Bühnen, ein Getränke- sowie ein Burgerstand auf die in der Spitze geschätzt 450 Zuschauer. Die Namensbeigabe „Ecofest“ fand seine Entsprechung in Recycle-Gebinden und verwendeten Speisen/Getränken aus der Region. Für gemütliches Ambiente im Grünen war also gesorgt. Dass der herrliche Sonnentag in seiner Gesamtheit ein nachhaltiges Erlebnis wurde, lag aber insbesondere am sehenswerten, klanglich duchweg überzeugenden Line-Up.
Gegen Viertel vor eins begannen YOU NERVOUS? ihr Set vor mehr Wespen als Menschen auf der kleineren Woodstage. Das Quartett aus verschiedenen Teilen Belgiens bot netten Melodic-Punk mit 90’s-Skate-Anklang. Ein lässiger und sehr kurzweiliger Auftakt. Die ein paar Bäume weiter gelegene Riverstage wurde zuerst von GENERATION 84 bespielt. Das ebenfalls aus Belgien stammende Gespann spielt melodischen Punk mit zarten Hardcore-Anleihen. Die verspielte Note erinnerte an VENEREA, der Gesang an Zoli von IGNITE (deren „Veteran“ auch gleich gecovert wurde). Diesem gestandenen Vergnügen folgte auf der Nachbarbühne der erste Höhepunkt des Tages. Denn THE PRICEDUIFKES (natürlich aus Belgien) boten vor mittlerweile rund 200 Interessierten treibenden Punk-Rock mit hymnischen Momenten (u.a. bei „Break Stuff“). Die Lust an der Bewegung vor der Bühne stieg, die Band dankte es mit einer rundum packenden Performance.
Auf der Riverstage sollten anschließend eigentlich VICTIMS OF CIRCUMSTANCE auftreten. Doch die Ska-Punks aus Florida waren nirgends zu sehen. Dafür gab es Metal-Hardcore mit Bollo-Oberarmposen auf die Ohren (und Augen). Der Name der Urheber blieb dem Autor dieser Zeilen verborgen, was angesichts von viel Bumms und überschaubarer Wirkung aber auch nicht weiter belasten muss. Eine Bühne weiter sorgten CHEAP DRUGS (ebenfalls aus Belgien) darauf für schrabbelig lauten und konsequent angepissten Old-School-Hardcore mit Parallelen zu CEREMONY. Ein willkommener Kontrast zum Übergewicht des Punk-Rock. Ihnen folgten neben dem Nete-Deich SET THINGS RIGHT aus Antwerpen. Auch die boten Metal-Hardcore, der zwar wuchtig daherkam und ansprechend präsentiert wurde, aber nicht wirklich mitreißen wollte.
Die nächsten im Bunde sollten auf der Woodstage eigentlich THE DECLINE sein. Doch die Australier mussten am Frankfurter Flughafen eine Zwangspause einlegen und hatten obendrein mit einer Fußverletzung ihres neuen Gitarristen/Sängers zu kämpfen. Es ist ihnen hoch anzurechnen, dass sie trotzdem alles versuchten, ihrer Verpflichtung nachzukommen und im unmittelbaren Anschluss an GET DEAD um Viertel nach 11 noch rund 20 Minuten spielten. An ihrer statt sprangen am Nachmittag kurzfristig F.O.D. ein und intonierten bereits beim Soundcheck „Nice Guys Finish Last“ von GREEN DAY. Ihr Auftritt machte Spaß, klassischer Melo-Punk mit netten Refrains kommt eben nie aus der Mode. Der Vierer aus Antwerpen gab sich kumpelhaft, heizte dem Pulk ordentlich ein und holte für eine Nummer die Hälfte von YOU NERVOUS? auf die Bühne.
Um kurz vor fünf war es auf der Riverstage an KIDS INSANE, die Fahne des Hardcore(-Punks) in die Höhe zu recken. Die Band aus Tel-Aviv hat sich in den vergangenen zwei Jahren international einen Namen gemacht. Zwar wollte sich das Publikum trotz Ausflügen des Frontmannes in ihre Mitte nicht so recht aus der Reserve locken lassen, an der Klasse ihrer Bühnenpräsenz rüttelte das jedoch nicht. Denn wütende Brecher wie „Frustrated“, „Poisoned Youth“ oder „Fix It“ verfehlten ihre Wirkung auch ohne von der Bühne stürzende Körper nicht. Vor der Festungsruine traten darauf ADRENALIZED aus Spanien auf. Deren Hardcore-Punk gefiel durch mehrstimmigen Gesang und zarte Anlehnungen an GOOD RIDDANCE, kam über gesunde Solidität aber zu selten hinaus. Treibend, aber kein echter Hammer.
Mit SKIN OF TEARS enterten um Viertel nach sechs die altbekannten Wermelskirchener (Ska-)Punks die Riverstage. Das Trio sorgt auch 15 Jahre nach dem Abebben der zweiten großen Punk-Welle für gute Laune und geschwungene Tanzbeine. Vorgebracht wurden bewährte Hits wie „Out of Line“, „Way Down Inside“, „Up the Cups“, „Relentless“ oder „Boys of Summer“, die das Publikum beständig in Bewegung hielten und trotz anfänglicher Amp-Probleme für durchweg gute Laune sorgten. Ein weiteres Highlight tat sich mit NOT ON TOUR hervor, die um 19 Uhr Punk mit Hardcore und weiblicher Stimmgabe präsentierten. Die ebenfalls in Tel Aviv beheimatete Band gedachte – wie übrigens einige der aufspielenden Künstler – dem am 31. Juli 2012 verstorbenen Tony Sly und bot treibende, stets angenehm kurz gehaltene Hits des Kalibers „Dirty Envelopes“ oder „Waiting in Line“.
Am Fluss zog im Anschluss Tim Vantol die (überschaubaren) Massen in seinen Bann. Der Akustik-Punker aus Amsterdam trat mit Upright-Bass und Bandbegleitung auf, fragte zu Beginn explizit, in welcher Sprache er das (internationale) Publikum adressieren sollte und lieferte über die folgenden 50 Minuten eine coole Show. Deren Höhepunkt war unbestritten das aus vielen Kehlen lauthals mitgesungene „Nothing“. Wem da nicht warm ums Herz wurde, der hat kein Herz (für Punk-Rock)! Zurück auf der Woodstage sorgten THE SETUP für wohliges Ohrenklingeln. Die Belgier wüteten sich durch liebgewonnene Brecher des Schlages „Young and Angry“ oder „Hit Me Hard“ und heizten überzeugend ein. Zu meckern gab es da grundlegend nichts. Allerdings ließ die Vorfreude auf TEENAGE BOTTLEROCKET keine echte Begeisterung aufkommen.
Die vier Pop-Punk‘n’Roller aus Wyoming spielten ihre immensen Sympathiewerte routiniert aus und sorgten in der anbrechenden Dämmerung für umfassende Grinsegesichter. Das Publikum ging ob der temporeichen Hit-Kanonade derbe ab und machte die Vielzahl grandioser Hymnen (darunter „Skate or Die“, „Better Than Kiss“, „Down in the Basement“, „Bloodbath at Burger King“, „They Call Me Steve“, „I Wanna Die“ und „Nothing Else Matters“) abermals zum echten Erlebnis. Nach einer Stunde, gefühlten 300 Songs und einem „Blitzkrieg Bop“-Cover war der (erwartbare) Zenit überschritten. Ein schieres Fest! Für dessen rau herzliche Fortsetzung sorgten auf der Woodstage darauf GET DEAD aus San Francisco. Deren Folk-beeinflusster Punk um Wein, Weib und Lebensprobleme (vorgetragen wurden u.a. „$1000 Bender“ und „The Process“) ist großes Kino. In der Live-Version auch diesmal hymnisch, packend und schlicht großartig.
Während auf der Riverstage im Anschluss DIABLO BLV. das Publikum zogen, holten (ausnahmsweise zeitgleich) THE DECLINE zumindest einen Auszug ihres Sets nach. Die sympathischen Melo-Punks aus Down Under schienen über die späte Gelegenheit, sich in der belgischen Provinz präsentieren zu können, sichtbar glücklich und störten sich auch nicht daran, dass lediglich rund 30 Interessierte ihren Auftritt sehen wollten. Die allerdings erwiesen sich als angenehm textsicher und machten Tracks wie „New Again“, „Showertime in the Slammer“, „Excuse Me“, „I Don’t Believe“ oder „66B“ zum letztlich unverhofft starken Ausklang. Nach Mitternacht besorgte eine NOFX-Coverband das Aftershow-Unterhaltungsprogramm. Doch der Tag forderte seinen Tribut und das Kilometerfressen auf der nächtlichen Autobahn hatte zumindest für uns zu diesem Zeitpunkt Priorität. Aber Brakrock, wir kommen bestimmt wieder. Ein schönes kleines Festival mit viel Herz und tollen Bands. Dafür ein ganz großes Kompliment!