Train – Nächster Halt: Hölle (USA 2008)

train-birchIn Gideon Raffs sleazigem Horrorfilm „Train“ ist eine Truppe junger amerikanischer Ringer in Mordor, pardon, Ost-Europa unterwegs. Als fünf von ihnen trotz des ausdrücklichen Verbots von Coach Harris (Todd Jensen, „Ninja“) eine Party aufsuchen und die Gruppe daraufhin am nächsten Tag den Anschlusszug nach Odessa, Ukraine, verpasst, ist die Kacke natürlich am Dampfen. Am Bahnhofsschalter lässt Harris lauthals seinem Unmut darüber freien Lauf, dass in diesem verdammten Land anscheinend keiner die universelle anglo-amerikanische Weltsprache beherrscht. Unverhofft wird er von einer gleich als Psychopathin auszumachenden Frau, die sich als Dr. Velislava (Koyna Ruseva) vorstellt, auf einen anderen Zug derselben Route verwiesen.

Unsere transatlantischen Freunde können natürlich nicht ahnen, dass diese Eisenbahn von einer infamen Organmafia zur mobilen Schlachtbank umgerüstet wurde. Dass fast allen putzmunteren Jungspunden während der langen Fahrt das eine oder andere Organ blutig abhanden kommt, versteht sich von selbst. Doch das ultraböse Kommunistenpack hat nicht mit der Hartnäckigkeit des genrespezifischen Final Girls Alex (Thora Birch) gerechnet…

Da haben wir sie wieder, die meuchelnden und zum Teil recht degenerierten Osteuropäer (markantestes Erkennungsmerkmal: schlechte oder gänzlich fehlende Zähne und unkontrolliertes, dämliches Lachen), die beim Anblick eines wohlgenährten Amerikaners auf der Stelle nur eines im Sinn haben können: Genozid! Die sind fast so schlimm wie die debilen Rednecks im ruralen Teil des eigenen großen Landes. Wie schon in Eli Roths gehyptem „Hostel“ sind auch hier die osteuropäischen Geschäftsleute verkommene Barbaren, nur auf Erlös fixierte Alexithymiker und auf die Moral scheißende Opportunisten.

Daran haben sich die Freunde des Splatterfilms gewiss schon gewöhnt. Was dem handwerklich wirklich gut inszenierten Streifen aber schadet, ist das eher maue und mit doofen Logiklöchern angereicherte Drehbuch – was in diesem Genre leider auch kein Novum stellt. Gleich vorweg, dass die Gejagten Twens natürlich nicht auf die Idee kommen (dürfen), eventuell aus dem Zug zu springen, um dem Terror ein Ende zu setzen, so wie sie in anderen Filmen die Treppe in den ersten Stock für die Flucht vor dem irren Killer nehmen, anstatt die Tür ins Freie, ist eine nicht zu leugnende Selbstverständlichkeit.

Doch schon die Ausgangssituation ist schwer zu schlucken. Die abgelegene Folterabsteige aus Roths „Hostel“ haut noch hin. Aber ein Zug, der unfreiwillige Organspender und die darauf wartenden Patienten nebst Familienangehörigen transportiert, ist allerdings ein wenig zu weit an den Haaren herbeigezogen. Dazu darf sich Alex außen am fahrenden Zug von einem Wagon zum anderen hangeln und im Finale einem 120 Kilogramm-Koloss die Stirn bieten. Thora Birch, die man eher aus Filmen wie „American Beauty“ oder „Ghost World“ kennt, verleiht ihrem Final Girl mehr Kontur als alle anderen Charaktere zusammen vorweisen können. Zumal diese gegen die Klischeedarstellung des eindimensionalen Opfers (oder profillosen Mörders) einfach nichts ausrichten können.

In einer anderen Szene darf man Zeuge davon werden, wie die rücksichtlosen Killer schwerbewachte (Zoll-)Kontrollen meisterlich umgehen. Hier mag die Welt eine unzivilisierte sein, aber das bedruckte Papier-Wertäquivalent öffnet eben alle Schranken dieser Welt. Besonders im wilden, inhumanen Ost-Europa. Wobei den kontrollierenden ukrainischen Soldaten in „Train“ der prallgefüllte Umschlag auch nicht ausreicht, sie dürsten nach mehr. Daraufhin entscheidet Schaffner Vasil (Valentin Ganev), ihnen noch die schwer verletzte Claire (Gloria Votsis), der man zuvor unter anderem ein Bein amputiert hat, zum „Vergnügen“ mitzugeben. Vasil, welcher eher die Berufsbezeichnung „Schlächter“ denn Fahrkartenkontrolleur verdient, kommentiert die mit der wie am Spieß schreienden Claire davonziehende Soldatenmeute mit den trockenen Worten „These are animals“. Ein schlechter Witz, Herr Regisseur und Drehbuchschreiber!

Was als Remake des 1980er-Slashers „Terror Train – Monster im Nachtexpress“, in dem Jamie Lee Curtis nochmal die Scream-Queen mimen durfte, gedacht war, entpuppt sich lediglich als ein weiterer beinharter Vertreter der allseits (un-)beliebten Torture-Porn-Kategorie. Die Dreharbeiten waren schon 2007 beendet, doch der angepeilte Kinostart konnte von Lionsgate (seit „Saw“ wahrscheinlich jedem Horrorfan ein Begriff) nicht in die Wege geleitet werden. Mit der MPAA, dem US Pendant zu unserer heißgeliebten FSK, bekam man ernste Schwierigkeiten, so dass der Film noch einige Federn lassen musste.

Dazu muss gesagt werden, dass der im Billigfilmland Bulgarien abgedrehte Thriller in der ungeschnittenen Version wirklich harter Tobak ist. Schon der Vorspann präsentiert die Häutung eines menschlichen Kadavers. Darüber hinaus gibt es später dann einen gespaltenen Brustkorb, herausgerissene Zunge und Augen, eine per Zange durchtrennte Wirbelsäule, einen Fleischerhaken ins Kinn und so weiter und so fort. Die Kamera hält immer schonungslos drauf. So viel Härte überrascht tatsächlich. Dass die deutsche Fassung vieles davon auf dem Schneidetisch der oben erwähnten ominösen Jugend und Moral schützenden Institution lassen musste, überrascht dabei in keinster Weise.

Zwei Jahre nach Abschluss der Dreharbeiten kam Gideon Raffs („The Killing Floor“) Schocker selbst in den USA lediglich auf DVD heraus. Einzig in Japan gab es eine limitierte Kino-Auswertung. Parallel dazu ist erwähnenswert, dass Lionsgate einen anderen „Zugfilm“, nämlich Ryūhei Kitamuras „Midnight Meat Train“, ebenso nicht in den großen Lichtspielhäusern unterbringen konnte. „Train“, den man auch „Hostel meets Turistas on a Train“ nennen könnte, ist grundsolide Kost mit den üblichen Symptomen, sprich einem schwachen Drehbuch und eintönigen Charakteren. Auf der Habenseite gibt es aber eine toughe Heldin, derbe Effekte und eine für solche Produktionen eigentlich selten gesehene Hochglanzoptik. Zumindest dahingehend können die unzähligen anderen „Hostel“-Epigonen nicht mithalten. In diesem verrufenen Subgenre tatsächlich noch einer der besseren Beiträge.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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