There Will Be Blood (USA 2007)

there-will-be-bloodDaniel Plainview ist ein Mann der Tat. Worte verliert er nur widerwillig, vor allem über sich selbst. Eine unbändige Wut nagt an ihm. Dazu kommt der Zwang, immer der Beste sein zu müssen. Er verdammt ihn zur Unfähigkeit emotionaler Nähe. Selbst Ziehsohn H.W. (Dillon Freasier), Spross eines tödlich verunglückten Arbeiters, dient durch die Fassade des Familienmenschen eher dem geschäftlichen Nutzen. Diesen büßt der Junge ein, als er nach einem Unfall sein Gehör verliert. Folglich wird er abgeschoben. Mit solch konsequenter Rücksichtslosigkeit steigt Plainview an der Schwelle des 20. Jahrhunderts vom Erzschürfer zum Öl-Tycoon auf. Phänomenal gespielt wird der Egomane von Oscar-Preisträger Daniel Day Lewis („Mein linker Fuß“).

Der Titel „There Will Be Blood“ firmiert wie eine nachtschwarze Prophezeiung über dem bitteren Abgesang auf den amerikanischen Traum. Die Werke von Autorenfilmer Paul Thomas Anderson („Magnolia“) kreisten in der Vergangenheit meist um ein mehr oder weniger gleichwertiges Ensemble, was ihm Vergleiche zum 2006 verstorbenen und im Nachspann geehrten Robert Altman („Short Cuts“) einbrachte. In der Fokussierung auf die Figur des kaltherzigen Pioniers Daniel Plainview ändert sich dies. Er ist der Mittelpunkt, das manifeste Epizentrum, ohne das es keinen Plot gäbe. Die meisten Figuren schrumpfen neben ihm zum Beiwerk. Der Film kann auf sie ebenso verzichten wie der gestrenge Geschäftsmann selbst.

Die lose Adaption des Buches „Oil!“ von Upton Sinclair folgt seiner Karriere bis ins Jahr 1927. Eine Erfolgsgeschichte fußt darauf nur im Bezug auf die wirtschaftliche Seite. Im Innern ist Plainview eine Mumie, ein verrottender Kadaver, der in der Einsamkeit am besten aufgehoben ist. Selbst als er in Zeiten der Weltwirtschaftskrise in einem fürstlichen Anwesen haust, nächtigt er auf dem Boden. Der Reichtum konnte zwar den sozialen Rahmen ändern, nicht aber den Mann. Ihn, der auf dem steilen Weg nach oben Farmer um ihren Besitz bringt und sich unter Versprechungen nimmt, was er braucht. Das führt zum Interessenskonflikt mit dem jungen Prediger Eli (famos: Paul Dano, „Little Miss Sunshine“), dessen Zwillingsbruder den Ölbohrer überhaupt erst in die Gegend brachte.

In den ersten zwanzig Minuten findet praktisch kein Dialog statt. Anderson nähert sich Kubrick an, wenn in wortlosen, brillant komponierten Bildfolgen der Weg vom mühseligen Steineklopfen zum ersten Ölfund beschrieben wird. In der zunehmenden Technisierung spiegelt sich der Verlauf der Industrialisierung wider. Die Musik, entweder klassisch oder eine Vermischung von Geräuschen und behelfsmäßigen Instrumenten, sorgt für eine konstante Unruhe. Die braucht der Regisseur, um die Abstinenz der Bewegung auszugleichen. Und zur Untermalung der inneren Aufgewühltheit. Es passiert viel, dabei jedoch nichts im Sinne des klassischen Unterhaltungskinos. Das entfaltet große Wirkung, stößt wie Führungscharakter Plainview aber auch oft vor den Kopf.

Andersons fast dreistündiges Breitwandepos ist ein Film über Schuld. Nur die Erlösung bleibt aus. Das Versprechen des Titels wird eingehalten. Jedoch nicht über zugespitzte Konflikte, sondern als Zeichen des letzten Triumphs von Plainview über den moralischen Kontrahenten Eli. Umso bitterer fällt die Schlussszene aus. Der einsame, längst dem Alkohol verfallene Geschäftsmann, der im feudalen Wohnsitz aus lauter Langeweile auf die Möbel schießt, kauert neben einer Blutlache. Den Rücken zum Publikum gewandt, löst sich ein emotionsloses „I am finished“ von seinen Lippen. „There Will Be Blood“ ist ein herausragendes Drama, sperrig, nicht selten anstrengend, dafür stets mitreißend gespielt und brillant inszeniert. Ein sprödes, aber sehr intensives Meisterwerk.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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