The Social Network (USA 2010)

the-social-networkDie Oscar-Jury hätte endlich wieder Mut beweisen können. Doch anstatt David Finchers „The Social Network“ ehrte sie das unbestritten wunderbare, wenn auch recht altbacken inszenierte Feelgood-Drama „The Kings Speech“ mit den höchsten Auszeichnungen der Filmwirtschaft. Die Kritiker sahen das anders. Für sie war die innovativ erzählte Aufbereitung der Entstehungsgeschichte des weltgrößten webbasierten Sozialnetzwerks Facebook der beste Film des Jahres 2010. Das zeigte bereits der Triumph bei der Verleihung der Golden Globes, wo Finchers Werk in den bedeutendsten Kategorien (u.a. Bestes Filmdrama und Beste Regie) die Nase vorn hatte.

Dass es am Ende also „nur“ für drei Oscars (in den weniger prestigeträchtigen Sparten Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Filmmusik und Bester Schnitt) reichte, dürfte die Macher um Produzent Kevin Spacey wenig gestört haben. Denn das auf Ben Mezrichs Buch „The Accidental Billionaires“ basierende Erfolgsdrama zeigt „Fight Club“-Regisseur Fincher einmal mehr als Virtuosen des modernen Kinos. Unter seiner Direktion wird die eigentlich recht unspektakuläre Geschichte des Internetphänomens und seiner Schöpfer zu einer Tragödie antiken Ausmaßes, bei der die Figuren über Intrigen, Verrat und Freundschaftsbruch an den Rande der Zerstörung getrieben werden.

Mit der Realität soll das Skript Aaron Sorkins („West Wing“) bisweilen herzlich wenig gemein haben. Aber der Autor selbst verteidigte den Film im Sinne künstlerischer Freiheit. Schließlich sei „The Social Network“ kein an die Faktenlage gebundener Dokumentarfilm. Vor diesem Eindruck verschließt sich vor allem Finchers brillante Inszenierung, die durch geschickte Zeitsprünge und die Rahmen verschiedener Anhörungen eine temporeiche Sogwirkung entfacht, die selbst beiläufige Szenen mit einer konstanten Spannung auflädt, die viele zeitgemäße Thriller um ein Vielfaches übertrifft. Zumal auch die Ambivalenz des von Jungstar Jesse Eisenberg („Zombieland“) großartig gespielten Mark Zuckerberg durchweg erhalten bleibt.

Etwas entrückt hingegen scheint seine Motivation. Der blitzgescheite Computerspezialist rächt sich mit den Waffen des Geeks für das Schicksal des ausgeschlossenen Unbekannten. Nach einem gescheiterten Date hackt sich der Student in die Register verschiedener Verbindungshäuser ein und lädt die Fotos der Studentinnen herunter, um im Internet über ihre Schönheit abstimmen zu lassen. Doch die „Revenge of the Nerds“ hat ein Nachspiel. Zuckerberg wird suspendiert. Seine Fähigkeiten aber wecken das Interesse der Zwillingsbrüder Cameron und Tyler Winklevoss (beide verkörpert von Armie Hammer), für die er ein elitäres Studentennetzwerk entwickeln soll.

Zuckerberg aber spinnt die Idee ohne Wissen der Winklevosses weiter und gründet mit seinem Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield, „Alles, was wir geben mussten“) Facebook. Der sich schnell abzeichnende Erfolg, an dem auch der berüchtigte Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake) Anteil nimmt, führt bald zu Rivalität und Missgunst – und mündet für die Beteiligten in millionenschweren Rechtsstreiten. Der bevorzugt als arroganter Soziopath dargestellte Zuckerberg wird dabei jedoch nie aus nur einer Blickrichtung wertend betrachtet, wodurch auch die Doppelbödigkeit der Erzählung gewahrt bleibt. „The Social Network“ bleibt damit ein überspitzt sarkastischer Beitrag über die Generation Internet, der zudem verblüffend amüsant und stets mitreißend über den Preis des Ruhmes fabuliert. Die Würdigung der Oscar-Jury wäre schlicht verdient gewesen.

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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