The Shootist – Der letzte Scharfschütze (USA 1976)

the-shootistVom Krebs gezeichnet, lief Hollywood-Legende John Wayne in seinem letzten Leinwandauftritt „The Shootist“ noch einmal zu Hochform auf und rechnete mit dem eigenen Mythos auf ungewohnt lakonische Weise ab. Unter der Regie von Don Siegel („Dirty Harry“) beteiligte sich der Duke am Abgesang auf den Western und trug das Genre, das ihn einst berühmt gemacht hatte, in Teilen gar selbst zu Grabe. Als alternder todkranker Revolverheld J.B. Brooks sucht er im Jahre 1901 Carson City auf, um sich vom befreundeten Arzt Hostetler (James Stewart, „Der Mann, der zuviel wusste“) untersuchen zu lassen. Doch der kann ihm nur noch Laudanum zur Schmerzlinderung verschreiben.

Binnen weniger Wochen, so der Mediziner, werde Brooks vom Krebs zerfressen dahinsiechen. Er rät zu einem schnelleren Tode, um das absehbare Leiden zu verkürzen. Für den todgeweihten Scharfschützen, die letzte noch lebende Legende im Umgang mit dem Sechsschüsser, kann das nur das Ende im Duell bedeuten. Geeignete Gegner finden sich leicht, sei es aus Gründen der Ruhmessucht oder um alte Rechnungen zu begleichen. Er mietet sich bei der Witwe Rogers (Lauren Bacall, „Gangster in Key Largo“) und ihrem Sohn Gillom (der spätere Erfolgsregisseur Ron Howard, „A Beautiful Mind“) ein und bereitet sich auf das Unvermeidliche vor.

Als Relikt einer verblassenden Ära reflektiert John Wayne das eigene Sterben. Das ausgemergelte Selbstbild des patriotischen Draufgängers wird zum Sinnbild des Wandels. Überschattet von der Nachricht des Todes Königin Viktorias sieht sich Dinosaurier Brooks mit den technischen Neuerungen und der schrittweisen Zurückdrängung von endloser Prairie und Freiheit konfrontiert. Automobil und Straßenbahn halten Einzug ins urbane Erscheinungsbild und deuten das Ende von Ross und Pferdewagen bereits an. Die glanzvollen Tage finden in einer einleitenden Collage Erwähnung, bei der Szenen aus Waynes berühmten Western den Werdegang der Hauptfigur illustrieren.

Mit sparsam dosierten Bleigewittern und einem blutigen, atmosphärisch starken Showdown im Saloon knüpft auch Siegel an vergangene Großtaten an. Daneben aber widmet er sich mit bestechender Klarheit dem Abschied eines Kämpfers aus Leidenschaft. Die Adaption eines Romans von Glendon Swarthout arbeitet abseits der Reaktionen auf die Ankunft Brooks´ durch die Einwohner Carson Citys – darunter Harry Morgan („M*A*S*H“) und John Carradine („Cheyenne“) – vor allem das charakterliche Bildnis eines gebrechlichen Raubeins heraus. Zwar darf jenes mit der Witwe Rogers noch zarte Bande knüpfen, das Schicksal des „letzten Scharfschützen“ aber ist längst besiegelt. Die finale Freiheit ist die Wahl des wann, wo und wie. Ein melancholischer Spät-Western und ein ungewohnt kritischer Abschied des großen John Wayne.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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