The Revenant – Der Rückkehrer (USA 2015)

the-revenant-der-rueckkehrer„As long as you can still grab a breath, you fight, you breathe. Keep breathing.“ – Mit eisernem Überlebenswillen: Hugh Glass

Ob Leonardo DiCaprio jemals einen Oscar gewinnen wird? Vier Mal war der Ausnahmemime bereits für den wichtigsten Filmpreis nominiert, zuletzt 2014 für „The Wolf of Wall Street“. Diesmal jedoch klappt es, da sind sich die Kritiker nahezu einig. Denn in „The Revenant – Der Rückkehrer“ geht DiCaprio ans Eingemachte und weit über die Schmerzgrenze des typischen Hollywood-Kinos hinaus. Die Zusammenarbeit mit Alejandro González Iñárritu, der für „Birdman“ im vergangenen Jahr gleich drei Oscars in Empfang nehmen durfte (insgesamt brachte es der Film auf vier Goldjungen), ist ein Kraftakt. Für die Darsteller, die Macher und auch den Zuschauer.

Iñárritu, der wieder als Regisseur, Produzent (u.a. neben Brett Ratner, „Black Mass“) und Co-Autor in Erscheinung tritt, blickt in der Zeit zurück. Genauer in die 1820er. Die Unabhängigkeitserklärung der USA ist noch kein halbes Jahrhundert alt, die Besiedlung Nordamerikas schreitet unaufhaltsam voran. Die großen Verlierer sind die Ureinwohner, die dem Eroberungs- und Fortschrittswillen der weißen Migranten wenig entgegenzusetzen haben. Trapper Hugh Glass (DiCaprio) ist Teil dieser Kultur und widerstrebt ihr zugleich. Er selbst lebte unter Indianern und gründete dort eine Familie. Schützen konnte er seine bei einem Angriff französischer Soldaten getötete Frau allerdings nicht. Geblieben ist ihm einzig der gemeinsame Sohn Hawk (Forrest Goodluck).

Beide sind Teil einer Expedition, die in die noch weitgehend unerschlossenen Weiten des Nordwestens vorstoßen und Felle beschaffen soll. Doch ein Indianerangriff nötigt die von Captain Henry (Domhnall Gleeson, „Brooklyn“) befehligten Männer zum Rückzug. Während eines Erkundungsganges wird Glass von einem Grizzly attackiert und schwer verwundet. Aus Respekt lässt Henry ein Grab ausheben und Fitzgerald (Tom Hardy, „Legend“) sowie Bridger (Will Poulter, „Maze Runner“) bei Glass ausharren, um diesen nach seinem Ableben zu bestatten. Aber Fitzgerald mahnt zur Eile, tötet Hawk vor Glass‘ Augen und verscharrt den Verletzten. Nur ist der mitnichten tot und lässt sich weder von einem gebrochenen Bein, noch fehlender Verpflegung davon abhalten, die Wildnis zu überwinden und blutige Rache an Fitzgerald zu üben.

Der schonungslose Mix aus Survival- und Revenge-Drama basiert grob auf Michael Punkes gleichnamigem, durch wahre Begebenheiten inspiriertem Roman. Iñárritus über zweieinhalb Stunden elegisch ausgebreitete und nicht selten an das Schaffen Terrence Malicks („The New World“) erinnernde Adaption gibt sich spröde, schmutzverkrustet und bildgewaltig. Kameramann Emmanuel Lubezki (für „Gravity“ und „Birdman“ Oscar-prämiert) läuft mit atemberaubenden Naturpanoramen und unmittelbaren Blicken ins Geschehen (inklusive Schnee und Blutspritzer auf der Linse) zu absoluter Höchstform auf. Gleiches gilt für Leonardo DiCaprio, der als Bear Grylls der Pionierzeit Knochemark aus Wildkadavern pult und – „Das Imperium schlägt zurück“ lässt grüßen – im aufgeschlitzten Kadaver eines Pferdes dem Erfrieren entrinnt.

Über Wochen kriecht und humpelt Glass durch die schneebedeckte Wildnis. Neben Witterung und Topographie setzen ihm auch die kriegerischen Indianer zu. Amerikas Ureinwohner bleiben Randfiguren und tragen doch viel zur düsteren Stimmung dieser brillant inszenierten Anti-Blockbuster-Extravaganz bei. Der Genozid an ihnen wird lediglich angedeutet, schont das amerikanische Gewissen durch Zwangsprostitution und willkürliche Tötungen aber nicht. Durch einen Bergsturz in einen hohen Baum und das Ausbrennen einer Wunde mit Schwarzpulver prädestiniert sich DiCaprio nebenbei als legitimer Rambo-Vorvater. Glaubwürdig mag sein Überleben nicht durchweg erscheinen, an der Ausnahmeklasse des Gesamtwerks ändert das jedoch nichts. Also werte Oscar-Jury, gebt Leo endlich den in der Summe überfälligen Oscar. Ihr habt doch letztlich auch Gnade mit Martin Scorsese gehabt!

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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