The Man Who Wasn’t There (USA/GB 2001)

the-man-who-wasnt-thereDie Vorfreude auf einen neuen Film der Gebrüder Coen („Barton Fink“, „The Big Lebowski“) basiert im Wesentlichen auf der Ungewissheit des zu Erwartenden. Joel und Ethan Coen, zumindest formal separat verantwortlich für Produktion und Regie, jedoch stets gemeinsam als die Autoren ihrer Werke genannt, begeistern seit nunmehr 18 Jahren Publikum wie Kritiker gleichermaßen. Ähnlich Woody Allen, wenngleich auf anderer Ebene agierend, weisen die Brüder einen Status in der Traumfabrik auf, der es ihnen seit jeher ermöglicht, weitgehend unabhängige Filme zu inszenieren, ohne ihre Arbeit von kommerzorientierten Studiobossen verpfuschen zu lassen.

Der Erfolg gibt ihnen Recht, wie der 1996 erhaltene Oscar für das Skript ihres Meisterwerkes „Fargo“ belegt. Ihre Filme gleichen sich niemals, kein Coen ist wie der andere. Gemeinsam haben ihre Geschichten lediglich den Hang zum grotesken, mal subtiler, mal offensichtlicher. Dass sie dabei häufig Elemente des Film Noir aufgreifen, variieren oder auch persiflieren, unterstreicht nur die Genialität der beiden Kinomagier, denen ihre recht eigenwillige Art des Humors und die immer brillante Konstellation der Figuren zueinander spielend leicht von der Hand zu gehen scheint. Ihr jüngster Streich „The Man Who Wasn‘t There“ führt die Coens zurück in die 40er Jahre.

In einer beschaulichen kalifornischen Kleinstadt fristet Friseur Ed Crane (Billy Bob Thornton) ein tristes Dasein, geprägt von der täglichen Routine des Haareschneidens. Das Leben des schweigsamen Kettenrauchers tritt auf der Stelle, ebenso seine Ehe mit der Kaufhausbuchhalterin Doris (Frances McDormand). Ein Ausweg aus dieser Lethargie bietet sich in der Geschäftsidee des Vertreters Tolliver (Jon Polito), doch fehlt Ed das nötige Kleingeld. Die Lösung des Problems scheint in der Erpressung von Doris‘ Chef (James Gandolfini) schnell gefunden, ahnt Ed doch eine Affäre der beiden. Jedoch löst der eigenbrötlerische Friseur mit diesem Schritt eine Kette von Ereignissen aus, die alle ihm nahestehenden Menschen ins Verderben stürzt.

In malerischen Schwarz-Weiß-Bildern zeichnen die Coens das Bild eines sehnsüchtigen Mannes auf der Suche nach Freiheit. Elegant und clever in Szene gesetzt, besticht „The Man Who Wasn‘t There“ formal vor allem durch die elegante Ausleuchtung und die für die Brüder typische Brillanz in Bezug auf Drehbuch und Charakterzeichnung. Joel und Ethan Coen ist ein Drama gelungen, das ohne falsche Wertvorstellungen auskommt und dabei ungeschönt und nüchtern den Niedergang eines innerlich völlig leeren Mannes schildert.

Diesen verkörpert Oscar-Preisträger Billy Bob Thornton („Sling Blade“) mit fast beängstigend glaubwürdiger Miene und taucht seine Figur in ein Bad purer Melancholie. Oscar-Preisträgerin Frances McDormand („Fargo“), Gattin von Joel Coen, steht ihrem Filmpartner in Sachen schauspielerischer Überzeugungskraft in nichts nach und liefert erneut eine wahre Glanzvorstellung ab. Daneben gibt es unter anderem James Gandolfini („Die Sopranos“), Jon Polito („The Big Lebowski“), Michael Badalucco („O Brother, Where Art Thou?“), Scarlett Johansson („Ghost World“), Richard Jenkins („Schnee, der auf Zedern fällt“) und Tony Shalhoub („Ausnahmezustand“) zu bewundern. Auch der nunmehr elfte Film der Coens ist eine künstlerische Glanzleistung voller Metaphorik und unterschwelligem Humor, ein Vergnügen der besonderen Art, sicherlich nicht nur für Fans der Brüder.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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