The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit (USA 2002)

the-hours-2002Als Nicole Kidman in diesem Jahr endlich den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle in Empfang nehmen konnte, schien kaum eine Preisträgerin der letzten Jahre gerechtfertigter und wohlverdienter. Denn auf welch beeindruckende Weise sich die 36-jährige in Stephen Daldrys Drama „The Hours“, inszeniert nach Michael Cunninghams mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Roman „Die Stunden“, unabhängig von der brillanten Arbeit der Maskenbildner praktisch unsichtbar macht, grenzt an wahrlich höchste Schauspielkunst.

Doch gebührt die Ehre nicht nur Kidman allein, sondern gleichwohl auch ihren nicht minder herausragenden Mitstreiterinnen Julianne Moore und Meryl Streep, die im Kollektiv zumindest auf der Berlinale zu verdienter Ehrung gereichten. So verwundert es nicht, dass sich dieser ungewöhnliche Film, der drei Frauen in drei unterschiedlichen temporalen Ebenen in den Mittelpunkt rückt, als beizeiten verstörend und zugleich immens sperrig entpuppt. Und doch lohnt die intensive Betrachtung nicht nur aufgrund der Leistungen der bis in die noch so kleine Nebenrolle herausragend besetzte Darstellerriege, sondern auch wegen Stephen Daldrys feinfühligem Gespür für die nötige Distanz und die feine Verwebung der ineinander verschachtelten Handlungsstränge.

Verbunden werden die Schicksale der Hauptfiguren durch „Mrs. Dalloway“, jenen klassischen Roman aus der Feder der englischen Autorin Virginia Woolf. Jene ruhmreiche Literatin (Kidman) ringt im Jahre 1923 mit den ersten Zeilen ihres Werkes, während knapp drei Dekaden später, genauer 1951, die amerikanische Hausfrau Laura (Moore), in der Schwangerschaft des zweiten Kindes befindlich, das Werk liest. Hinzu kommt Lektorin Clarissa (Streep), die in der Gegenwart des Jahres 2001 von ihrem Aids-kranken Freund (Ed Harris) mit einer Mischung aus Romantik und Spott Mrs. Dalloway gerufen wird.

Für diese drei Frauen scheint an diesem einen Tage der Punkt einer entscheidenden Wende in ihrem Dasein gekommen. Virginia Woolf beginnt die Arbeit an ihrem Erstlingswerk, die vom Leben enttäuschte Laura beschließt, den geplanten Selbstmord am Geburtstage des Gatten (John C. Reilly) nicht zu vollziehen und die Familie erst nach der Geburt des zweiten Kindes zu verlassen, und Clarissa, selbst Mutter einer Tochter (Claire Danes) will um jeden Preis eine Party für den von der tödlichen Krankheit gezeichneten Freund organisieren. Nur steht dem gefeierte Autor so gar nicht der Sinn nach feierlichen Anlässen.

Das Zweitwerk von „Billy Elliot“-Regisseur Stephen Daldry erfordert dem Betrachter von Beginn an höchste Aufmerksamkeit ab, entschädigt aber durch eine kunstvoll gestrickte Erzählstruktur, die scheinbar beliebig zwischen den einzelnen Epochen hin- und herspringt. Doch gelingt es Daldry malerisch durch inszenatorische Randerscheinungen eine Brücke zwischen den tragischen Einzelschicksalen zu schlagen. So finden sich die Rosen im Garten der Virginia Woolf erst als Zuckerglasur auf dem Geburtstagskuchen für Lauras Ehemann wieder, um schließlich in einer Vase Clarissas erneut in Erscheinung zu treten.

Im Vordergrund stehen bei „The Hours“ eindeutig die leisen Töne, kleine Gesten, betrübliche Blicke. Der Automatismus in den Handlungsabläufen der Protagonistinnen scheint gleichzeitig Lebensgrundlage und Berechtigung, anderen Dienen das höchste Gut auf Erden. Als einziger Ausweg dieser festgefahrenen Erwartungshaltung bleibt Virginia Woolf am Ende lediglich der Freitod im Wasser.  Nicole Kidman („The Others“), Julianne Moore („Hannibal“) und Meryl Streep („Adaptation“) offerieren durch ihr überragendes Spiel solch tiefgreifende seelische Zerrüttung und innere Pein, dass der Film seinen depressiven Grundton über die fast zweistündige Lauflänge permanent aufrecht erhält und entsprechend schwer zugänglich erscheint.

Doch lohnt der Genuss dieses Meisterwerkes allein aufgrund der darstellerischen Inbrunst, die schlicht jeder der Akteure mit jedem Wort, jeder Bewegung ausstrahlt. Ed Harris („Pollock“), einmal mehr außergewöhnliche Randfigur, vermag dabei ebenso zu begeistern wie John C. Reilly („Magnolia“), Claire Danes („Romeo & Julia“), Miranda Richardson („Sleepy Hollow“), Jeff Daniels („Zwei Tage L.A.“), Toni Collette („About a Boy“) und Allison Janney („American Beauty“).

Somit spinnt „The Hours“ ein beinahe stilles Plädoyer für die individuelle Formung des eigenen Verbleibes in der Existenz anderer und erzählt elegant von Leben und Leiden, Liebe und Aufopferung. Erneut zeichnet sich Stephen Daldry durch großes, vielschichtiges Erzählkino aus und offenbart dem Betrachter einen intensiven Einblick in die emotionale Einkehr seiner Figuren. Sicherlich keine leicht verdauliche Kost, dafür filmischer Hochgenuss für Cineasten. Davon abschrecken lassen dürfte sich daher wohl einzig das Mainstream-Publikum.

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

scroll to top