The Duel Project: 2LDK vs. Aragami (J 2002/2003)

the-duel-projectZwei Filme, zwei Regisseure, ein Konzept. Die Grundidee ist so simpel wie innovativ: Zwei stilistisch differente Filmemacher lassen auf der inhaltlichen Basis einer simplen Duellsituation ihrer überbordenden Fantasie freien Lauf. Und welche Kinonation könnte einen solch genialischen Schlagabtausch adäquater initiieren als das tabufreie Extrem-Wunderland Japan? So stehen sich unter dem Titel „The Duel Project“ die Filmemacher Yukihiko Tsutsumi („Collage of Our Lives“) und Ryuhei Kitamura („Azumi“) bzw. deren künstlerische Auswüchse „2LDK“ und „Aragami“ gegenüber.

Zu verdanken ist „The Duel Project“ jedoch dem Einfallsreichtum des renommierten Produzenten Shinya Kawai („Ringu“, „Rasen“). Weil beide Regisseure ihre Beiträge für die von Kawai geförderte Kurzfilmreihe Jam Films in Rekordzeit abfilmten, bot der Finanzier ihnen die Möglichkeit, binnen einer Woche einen Kinofilm auf beschränktem Raum mit weniger als einer handvoll Darsteller zu drehen. Den Auftakt markiert Tsutsumis 2002 realisierter „2LDK“. Bereits der Titel spiegelt das Terrain der Auseinandersetzung wider, bezeichnet jener doch die architektonische Gegebenheit eines Apartments mit zwei Zimmern, Küche und Bad.

Die feudalen Räumlichkeiten einer solchen Herberge, gelegen im Herzen Tokios, werden temporär bewohnt von den beiden jungen Schauspielerinnen Lana (Maho Nonami, „Second Chance“) und Nozomi (Eiko Koike, „Kamikaze Girls“). Beide haben sich um die Hauptrolle in einem Yakuza-Streifen beworben und die Wohneinheit als vorübergehende Bleibe vom Produzenten des Films zur Verfügung gestellt bekommen. So kristallisiert sich alsbald heraus, dass eine der ambitionierten Actricen das Rennen machen wird. Nur welche? Beide würden eine Menge für die prestigeträchtige Verpflichtung riskieren. Für die eine wäre es der schillernde Einstieg ins Filmgeschäft, für die andere der letzte Strohhalm, ihre stagnierende Karriere neuerlich anzukurbeln.

2ldkInsgeheim gehegte Antipathien und sich stetig potenzierende Missgunst lassen die Situation schließlich eskalieren – und die beiden Frauen wie tollwütige Hunde übereinander herfallen. Schnell klärt Tsutsumi die Fronten seiner biestigen Protagonistinnen, gibt in stetem Gedankenfluss aus dem Off Aufschluss über das gespannte Verhältnis der beiden. „2LDK“ ergötzt sich mit voyeuristischer Obsession an der psychologischen Anspannung, die in kühle Bebilderung getaucht, letztlich in einen schonungslosen Zweikampf mündet. Doch ist es nicht nur die kreative Rivalität, die zur Eskalation der Gewalt führt, sondern auch beiläufige Themenkomplexe wie Shampoo, Kühlschranknutzung und – nicht zuletzt – Männer.

Als die nervliche Belastung und Anspannung berstet, brechen alle Dämme des Anstands und der Vernunft. Respekt und Menschenwürde werden kurzerhand außer Kraft gesetzt, unvermittelt zur Nichtigkeit degradiert. Dabei hält sich die schier quälend ausgereizte Vorstufe der Handgreiflichkeiten die Waage mit dem brutalen Zweikampf. In dieser Periode des ethischen Raubbaus lassen die feinen Damen denn auch keinerlei Anstand walten. Vielmehr wird bis zum Sprudeln generierter Blutfontänen mit allen zur Verfügung stehenden Behelfsmitteln die Demütigung des Gegners forciert.

„2LDK“ ist ein durchweg origineller und ausdrucksstarker Film, ein politisch völlig unkorrektes und sehenswert in Szene gesetztes Kammerspiel zwischen verbissener Konkurrierung und blankem Sadismus. Unnötig zu erwähnen, dass der Streifen nach unwesentlich mehr als einer Stunde Spielzeit in einen mehr als sarkastischen Ausgang mündet. Der Plot von Ryuhei Kitamuras 2003 enstandenem „Aragami“ erzählt hingegen die Geschichte eines verwundeten Samurais (Takao Osawa, „Into the Sun“), der nach einem erschöpfenden Marsch vor den Pforten eines aenigmatischen Tempels zusammenbricht. Als er erwacht, sind seine Wunden verheilt.

Bei einer ausgiebigen Mahlzeit überredet der gastfreundliche Hausherr (Masaya Kato, „Crying Freeman“) den unfreiwilligen Besucher, seinen Aufenthalt in der heiligen Stätte zu verlängern. Nicht ohne Hintergedanken, denn alsbald entpuppt sich der gesellige Gastgeber als ein Aragami, übermenschliche Bestie und rasender Gott des Krieges. Jener mysteriöse Wanderer zwischen Leben und Tod erweist sich als des ersteren überdrüssig. So fordert der Aragami seinen erstaunten Gast zu einem Duell, das dem ewigen Leben des Goblins ein Ende bereiten soll. Unter den Augen der verschlossenen Untergebenen (Kanae Uotani, „The Messenger“) des Kriegsgottes willigt der namenlose Samurai ein. Der Beginn eines ungleichen Kampfes auf Leben und Tod.

aragamiAnfangs schwermütig, geprägt von melancholischer Grundtonalität, offeriert Kitamura bei fortschreitender Lauflänge den für seine Werke typischen Stilismus. Die für den Regie-Individualisten repräsentative Agilität der Kamera wird durch die gute Ausleuchtung und die differenzierte Farbgebung unterstützt. Obgleich Kitamura einmal mehr die Mechanismen des traditionellen Samuraifilms aufgreift, bedient sich auch Aragami bei inszenatorischen Elementen der Moderne – etwa Stroboskopeffekte und Computeranimationen. So reges Interesse der Streifen formal auch versprüht, frei von kleinen Längen ist er nicht.

Der von stimmig zeitgemäßem Soundtrack untermalte finale Schlagabtausch allerdings hält, was der Name Ryuhei Kitamura verspricht. Der gelungene Ausklang reflektiert zudem Kitamuras Faible für epische Ausklänge á la „Versus“ – inklusive eines Cameoauftritts von dessen Hauptdarsteller Tak Sakaguchi. „The Duel Project“ bedeutet in erster Linie die Auseinandersetzung des regressiven Samuraifilms gegen die moderne Perversion des Alltags. Der ehrvollen Kampfeshaltung auf der einen Seite steht die urbane Verrohung auf der anderen unmissverständlich gegenüber.

Während Ryuhei Kitamura die Gesetzmäßigkeiten des asiatischen Genrekinos einmal mehr variiert, steckt Yukihiko Tsutsumi mit unkonventioneller Methodik ein harsches Terrain der Skrupellosigkeit ab. Nicht zuletzt dieses Attribut lässt den archaischen „2LDK“ über das aufwendigere Swordsplay-Kammerspiel „Aragami“ triumphieren. Überzeugend gespielt sind beide Beiträge. Nur bleibt Aragami dialoglastiger und weniger hintersinnig. Dennoch bleibt „The Duel Project“ eine facettierte Union zweier hochklassiger Experimentalfilme. Seinen eigentümlichen Reiz schöpft die Idee neben der Restriktivität der Handlungsorte aus der Gegensätzlichkeit der Filmemacher. Bleibt nach dieser vortrefflichen Interaktion nur zu hoffen, dass dieses Projekt nicht das letzte seiner Art darstellen wird.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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