The Chaser (ROK 2008)

the-chaserSüdkorea, deine Thriller. Düster sind sie, geradezu abgründig, meist jedoch ohne aufdringliche Klischees umgesetzt. Dafür scheinen sie einer dezent dokumentarischen Ausrichtung verpflichtet, der auch „The Chaser“ Folge leistet. Regiedebütant Hong-jin Na inszenierte die atemlose Mörderhatz, deren straffer Zeitrahmen kaum mehr als einen Tag umspannt, mit gebotener Zurückhaltung und beinahe schmerzhaftem Realismus. Wohlgemerkt nicht bei der dramaturgischen Auskleidung. Die wirkt mitunter etwas konstruiert, wodurch die enorme Wucht des Filmes allerdings keinen Schaden nimmt.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven, der des Mörders und der des Jägers. Zuerst ist da Zuhälter Joong-ho, den Yun-seok Kim („Running Wild“) so kühl wie eindringlich verkörpert. Einst im Polizeidienst, aufgrund eines Korruptionsfalles aber aus dem Dienst entlassen, verdingt sich der stoische Misanthrop als Nuttentreiber. Doch die Zahl seiner Prostituierten hat sich drastisch verkleinert. Er geht der Sache auf den Grund und entdeckt, dass bei jedem der spurlos verschwundenen Mädchen der immer gleiche Freier als letzter Kunde vermerkt wurde.

Während er den Weiterverkauf seines menschlichen Kapitals wittert, verbirgt sich hinter dem gesuchten Young-min (Jung-woo Ha, „Time“) in Wahrheit ein Serienkiller. Als der auch noch das letzte Callgirl des Ex-Bullen, die alleinerziehende Mi-jin (Yeong-hie Seo, „Palast der Schatten“) in seine Gewalt bringt, nimmt die Tragödie ihren Lauf. Eher beiläufig geraten Zuhälter und Mörder aneinander. Young-min legt bei der Polizei später gar ein Geständnis ab, droht aufgrund mangelnder Beweise aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt zu werden. In der Zwischenzeit versucht Joong-ho das Versteck des Triebtäters ausfindig zu machen, wähnt er Mi-jin doch noch am Leben.

Die Besonderheit des hoch dramatischen Psycho-Thrillers liegt, neben dem Spiel mit der Erwartungshaltung, in der Ausarbeitung der Figuren. Obwohl der egozentrische Lude kaum als Identifikationsfigur taugt, gehört ihm, dem einsamen Wolf, die ungeteilte Sympathie. Die Darstellung seines soziopathischen Gegenparts hingegen überrascht durch die Abstinenz jenes kriminellen Genius, der Genrefilme wie „Sieben“ zum Klassiker machte. Young-min ist mitnichten das berechnende Superhirn, sondern ein vom Tötungsdrang gesteuerter Wahnsinniger, dessen stärkster Verbündeter tatsächlich der Zufall ist.

Mit der Grausamkeit des eigenen Selbst wird auch Joong-ho konfrontiert, dem erst über die Begegnung mit Mi-jins aufgeweckter Tochter bewusst wird, dass die Suche nicht nur seinen finanziellen Interessen dienen sollte. Auch dabei schlägt der Zufall, manche mögen es Schicksal nennen, gnadenlos zu. Wut, Verzweiflung und die Suche nach Erlösung entladen sich letztlich in einem schonungslosen Zweikampf zwischen Jäger und Mörder, der fast schockierend weit von der irrationalen Unversehrtheit Hollywood-typischer Faustkämpfe angesiedelt ist. Ein hochkarätiger, in seiner konsequenten Entschlossenheit obendrein sehr mutiger Film.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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