Suicide Circle (J 2001)

suicide-circleJapans Kino ist das Kino der Extreme. Tabuthemen, an die sich Filmemacher in Europa, geschweige denn den USA nicht im Traum getrauen würden, sind am Fuße des Fujiama längst subkulturelle Alltäglichkeit. Die Grenzen des guten Geschmacks sind schwammig und häufig nur schwer zu lokalisieren. Manchmal wird darauf geschissen, manchmal gekotzt, oft werden sie mit Blut beschmiert oder gar inzestuös entweiht. In diese Tradition politischer Unkorrektheit fügt sich auch Shion Sonos surreale Ausgeburt des sozialen Horrors, kurz „Suicide Club“.

Die Shinjuku U-Bahn-Station in Tokio: 54 Schulmädchen springen Hand in Hand vor einen einfahrenden Zug in den Tod. Nach diesem schockierenden wie unerklärlichen Ereignis steht die Polizei hilflos einer schieren Welle von Selbstmorden junger Menschen gegenüber. An Tatorten auftauchende Rollen aus Menschenhaut und eine mysteriöse Internetseite, die die Anzahl der eigenverantwortlichen Tötungen dokumentiert, geben dem ermittelnden Inspektor Kuroda (Ryo Ishibashi, „The Grudge“) Rätsel auf. Vor allem als die Vermutung aufkommt, die omnipräsente Girl Group Desert könne mit dem Massensuizid in Zusammenhang stehen.

Der Verdacht regte sich lang und ausgiebig – Girlie-Bands sind der Torpedo, der das Schiff der gesellschaftlichen Ordnung zum sinken bringt. Makaber und mit morbider Atmosphäre sprengt „Suicide Club“ den Rahmen alltäglicher Sehgewohnheiten, brennt sich mit schockierenden – beizeiten arg selbstzweckhaften – Gewaltexplosionen in den betrachtenden Geist ein. In der ersten Hälfte baut der Film nach konventionellem Muster einen undurchsichtigen Thriller-Plot auf, nur um darauf zusehends vom Pfade narrativer Nachvollziehbarkeit abzuweichen.

Spätestens mit dem Selbstmord Kurodas verwandelt sich der bizarre Horrortrip in einen surrealistischen Blick in seelische Abgründe. Dabei fällt der Film mit dem Auftritt einer Gruppe vergewaltigender Psychopathen zeitweise in ein künstlerisches Vakuum, dem Autor und Regisseur Sono („Bicycle Sighs“) im Anschluss erneut mit der suggestiven Absicht begegnet, in eine scheinbar schlüssige Klimax zu münden. In Wahrheit ändert sich einzig der Fokus auf die betrachteten Figuren, denn am abrupten Ende wird kaum eine der aufgeworfenen Fragen beantwortet.

„Suicide Club“ ist ein verstörender Albtraum, erzählerisches Flickwerk zwischen Horror-Thriller und subtiler, meist undurchsichtiger, Sozialparabel. Der Ansatz ist interessant, die Umsetzung lässt in ihrer Sprunghaftigkeit oft Stringenz vermissen. Was ein außergewöhnlicher Psycho-Thriller hätte werden können, ist durch inhaltliche Unzulänglichkeit und manch zähen Erzählstrang beklemmende filmische Andersartigkeit ohne Zusammenhang. Shion Sono wollte das Schaubild einer entwurzelten Gesellschaft zeichnen, doch wird sein diskussionswürdiges Opus den meisten wohl nur aufgrund seiner schonungslosen Härte in Erinnerung bleiben.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

scroll to top