Straw Dogs – Wer Gewalt sät (USA 2011)

straw-dogs-remakeIn der Provinz lauert das Grauen. So lehrt(e) es uns der Backwood-Horror und – deutlich gesellschaftskritischer und hintersinniger – vor allem Vorreiter-Skandalkino wie „Beim Sterben ist jeder der erste“ (1972). In eine ähnliche Kerbe schlug auch Sam Peckinpahs kontroverse und bis heute diskussionswürdige Sozialstudie „Straw Dogs“ (1971), in der Dustin Hoffman als bebrillter Intellektueller im ruralen England in eine Spirale von Provokation und Gewalt gezogen wird. Vierzig Jahre später versuchte sich Rod Lurie („Rufmord“) an einem Remake. Die psychologische Tiefe weicht dabei einem vordergründigen Eskalations-Thriller.

Mit den für ihn typischen stilistischen Mitteln entlarvte Peckinpah die tendenzielle Unmenschlichkeit des Individuums. Sympathieträger offerierte er nicht und verankerte Barbarismus als integralen Teil im Wesen der Protagonisten. Dass der angestaubte Klassiker seine Wirkung bis heute bewahrt hat, liegt in der Radikalität von Inszenierung und Schauspiel begründet. Allein die berüchtigte Vergewaltigungssequenz, in der Susan Georges Wehrhaftigkeit von unterschwelliger Billigung des Missbrauchs begleitet wird, prägt das verstörende Bild einer emotional entgleisten und durchweg rücksichtslosen Gesellschaft. Solch niederschmetternde Wucht erreicht die Neuverfilmung nicht.

Lurie verlegt den Handlungsort in den amerikanischen Süden und reduziert die Geschichte des Ehepaares David (James Marsden, „X-Men“) und Amy Sumner (Kate Bosworth, „Superman Returns“), die im Heimatkaff der jungen Schönheit auf eine archaische Gemeinschaft aus Trinkern und Soziopathen treffen, auf eine überflüssige Klischeesammlung. Der Verlauf der schleichenden Zuspitzung bleibt weitgehend unverändert. Nur mangelt es dieser provinziellen Hölle an Gewalt und Ausgrenzung an Ambivalenz. Der von James Woods („Shark“) gespielte Ex-Football-Coach Tom Heddon steht für eine Oberflächlichkeit, die den Protagonisten ihre Enttäuschung nur allzu sichtbar ins Gesicht schreibt.

David ist Hollywood-Drehbuchautor. Wie besessen arbeitet er an einem Skript über den Kampf um Stalingrad. Dass seine Erläuterung der Kesselschlacht – die Nazis als übermächtige Invasoren, die Russen als hoffnungslos unterlegener Verteidiger – wie eine Blaupause des finalen Blutbads im belagerten Landhaus der Sumners über der Handlung liegt, degradiert das krasse Psychogramm des Originals zu einer glasklar durchschaubaren Mär von Gewalt und Gegengewalt. Denn Amy, die in der Ehe zu kurz zu kommen scheint, sendet verhängnisvolle Signale an ihren Jugendfreund Charlie („True Blood“-Star Alexander Skarsgård), der mit Kumpanen Reparaturarbeiten an der Scheune der Sumners ausführt.

Für sich genommen ist Luries „Straw Dogs“ ein bisweilen unbequemer Thriller mit soliden Darstellern. Aber die Hypothek des überragenden Originals wiegt zu schwer. Auch bleibt das Drama um den minderbegabten Jeremy Niles (Dominic Purcell, „Prison Break“), den ein wütender Mob um Charlie nach dem Tod von Heddons Tochter bis zum Heim der Sumners verfolgt, nur allzu formelhaft. Einer Legitimation des folgenden Blutbades entzieht sich Luries Version damit nicht und auch Ausmaß und Darstellung der Gewalt entsprechen mehr modernen Unterhaltungsstandarten als der Reflexion voyeuristischer Zuschauergelüste. Ein Schlag in die Magengrube ist der Stoff in dieser konventionellen Zügelung jedenfalls nicht mehr.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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