Stoker – Die Unschuld endet (USA/GB 2013)

stoker„Sometimes you need to do something bad to stop you from doing something worse.“ – India Stoker

Wenn ein Film „Stoker“ betitelt wird, so weckt dies unweigerlich Assoziationen. Um Vampire geht es dabei nicht, die Vorahnung des Unheimlichen bleibt trotzdem bestehen. Zurück geht der eigenwillige Thriller auf ein Drehbuch von Wentworth Miller, der als Hauptdarsteller der TV-Serie „Prison Break“ berühmt wurde. Die Verfilmung seines Skripts hat er selbst co-produziert. Die Regie besorgte Chan-wook Park, der mit „Oldboy“ international gefeiert wurde und der sich für sein US-Debüt kaum einen besseren Stoff hätte wünschen können. Denn die dezente Sperrigkeit deckt sich mit seinem suggestiven Inszenierungsstil vortrefflich.

Dass der Film vor allem visuell zum rauschhaften Erlebnis wird, liegt an Parks Stammkameramann Chung-hoon Chung, der die undurchsichtige Geschichte in erlesen komponierte Bilder mit surrealem Anstrich kleidet. Im Mittelpunkt steht India Stoker (Mia Wasikowska, „Jane Eyre“), die an ihrem 18. Geburtstag den geliebten Vater (Dermot Mulroney, „The Grey“) beerdigen muss. Zu Mutter Evelyn (Nicole Kidman, „The Paperboy“) pflegt sie ein eher kühles Verhältnis. Geschuldet ist dies unter anderem, dass diese zu aufgesetzter Dramatik neigt und sich durch ihre Depression meist nicht vor dem Nachmittag aus dem Bett erhebt.

India ist etwas Besonderes. Ihr Gehör ist außergewöhnlich fein und gleiches gilt für ihre Augen. So erkennt sie bei der Beerdigung eine abseits stehende Gestalt, die sich als ihr Onkel Charles (Matthew Goode, „Match Point“) entpuppt. Der ist weit gereist und war die letzten 20 Jahre auf sämtlichen Kontinenten zu Hause. Er quartiert sich im Hause der Trauernden ein und versucht sich neben Evelyn vor allem India zu nähern. Die blockt zunächst ab, kommt mit dem Verschwinden der Hauswirtschafterin und einer Tante aber einem düsteren Familiengeheimnis auf die Spur, das sie zugleich mit ihrer eigenen dunklen Seite konfrontiert.

Wäre es nicht um die den grundlegenden Tenor prägenden Mystery-Elemente, der Plot erschiene als klassischer Hitchcock-Stoff. Doch Miller und Park begnügen sich nicht mit geradlinigem Psycho-Thrill, sondern spicken die Geschichte mit morbiden und dezent übernatürlichen Einfällen, bei denen an den richtigen Stellen auch nicht mit Blut gespart wird. Neben den sehenswerten Bildern tragen auch die zurückhaltenden Darsteller zur konstanten atmosphärischen Grundierung bei. Für ein Massenpublikum ist „Stoker“ wenig geeignet, vollzieht sich die allmähliche Auflösung der gestreuten Fährten und Vorahnungen doch zu eigensinnig. Doch macht gerade das die nachwirkende Faszination dieser abgründigen Familiengeschichte aus.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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