Slumdog Millionär (GB 2008)

slumdog-millionaireWie kaum ein zweites TV-Format steht „Wer wird Millionär“ für die Verheißung eines besseren Lebens. Vor allem in den Schwellenländern, wo die soziale Schere noch viel weiter auseinanderklafft als in den Industriestaaten. In seinem tragischen Märchen „Slumdog Millionär“ erzählt „Trainspotting“-Regisseur Danny Boyle vom Ausbruch aus dem Elend. Ein ungebildeter Junge von der Straße greift nach dem Jackpot und begeistert Frage um Frage die Massen. Weniger euphorisch reagiert die Polizei, die ihn in der Rahmenhandlung verhört und misshandelt. Der Verdacht des Betrugs steht im Raum.

Und so sitzt Jamal Malik (Dev Patel, „Skins“), nachdem ihm weder Schläge noch Stromstöße ein Geständnis abzuringen vermochten, am Schreibtisch eines Inspektors und erzählt der Reihe nach, wie er aus der Erfahrung eines scheinbar ausweglosen Daseins seine Antworten für die populäre Quizshow schöpfte. In Rückblenden offenbart Boyle das Joch der Chancenlosen, die Misshandlung, den Verrat eines Bruders – und eine Liebe, die jedes Elend zu überragen scheint. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, wird die Mutter bei einem Übergriff auf den muslimischen Slum getötet. Mit Bruder Salim und der ebenfalls verwaisten Latika vegetiert Jamal fortan auf einer Müllkippe Bombays.

Sein Weg führt über Unterdrückung und Ausbeutung in die (Klein-)Kriminalität. Erst die wiederholte Trennung von seiner großen Liebe Latika (Freida Pinto), die wie Salim von einem despotischen Verbrecher vereinnahmt wird, führt ihn ins Fernsehstudio. Er will ihre Aufmerksamkeit, der Geldgewinn ist eher nebensächlich. Boyles Narrative hat etwas magisches, etwas schier zwanghaft Optimistisches. Die britische Produktion im indischen Setting wurde mit acht Oscars und vier Golden Globes überhäuft. Doch die Verfilmung eines Romans von Vikap Swarup schuf auch Kontroversen. Der Blick auf Indiens Brennpunkte forcierte teils harsche Kritik. Boyle wurde gar des Elendstourismus bezichtigt.

Als (westlicher) Filmemacher aber will er vorrangig unterhalten. Kritik am bankrotten System bleibt unterschwellig erhalten, wenn sie auch nie eine mahnende Position einnimmt. Im Gegensatz zur farbenfrohen Scheinheiligkeit des Bollywood-Kinos jedoch bleiben die Augen vor den Miseren nicht verschlossen. „Slumdog Millionär“ ist ein Feelgood-Movie der etwas anderen Sorte. Ein Happy End dürfte der Zuschauer nur selten derart herbeigesehnt haben. Geschichten wie diese, von Underdogs, von unerwarteten Aufsteigern, verfügen über eine Art universelle Funktionalität. Diesmal aber kommt neben dem Herz auch der Kopf zum Tragen. Gerade deshalb wird dies wunderbare Werk den Vorschusslorbeeren vollauf gerecht.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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