Sightseers (GB 2012)

sightseersUrlaub ist Balsam für die Seele. Einfach mal abschalten, die Tage verstreichen lassen und dem täglichen Trott entfliehen. Gerade für frisch Verliebte bietet sich so eine ideale Gelegenheit, den Partner von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Dumm nur, wenn der sich als ausgewachsener Soziopath entpuppt. Auf diese Prämisse gründet sich Ben Wheatleys („Kill List“) rabenschwarze Komödie „Sightseers“, die das noch bei Mutter wohnende Mauerblümchen Tina (Alice Lowe, „Garth Marenghi’s Darkplace“) auf einen morbiden Roadtrip mit dem nach emotionaler Durststrecke lang ersehnten neuen Freund Chris (Steve Oram, „Tittybangbang“) stürzt. Gemeinsam will das Paar die Schönheit Yorkshires ergründen. Die traute Zweisamkeit wird jedoch dadurch getrübt, dass Chris sämtliche sein Nervenkostüm strapazierende Zeitgenossen unversehens ins Jenseits befördert.

Das klingt, vor allem gemessen an britischen Humorstandards, makaber, aber doch irgendwie leicht verdaulich ausgebreitet. Wheatley aber ist ein klassischer Independent-Regisseur, der neben schroffen Bildern wenig Identifikationspotenzial bietet. Auch ist sein Film nicht wirklich lustig, zumindest, wenn man dies an klassischen Schenkelklopfern festmachen will. Die Figuren sind von Schwermut geprägt, was sich bei Tina am gestörten Verhältnis zu Mutter Carol (Eileen Davies, „Bright Star“) äußert. Denn die spielt, nicht erst seit einem folgenschweren Zusammenstoß ihres geliebten Hundes und dem Nähbesteck der Tochter, die Pflegebedürftige. Kurzum, das Leben von Mittdreißigerin Tina wirkt trist, festgefahren in drögen Ritualen und dem von der Mutter ausgeübten emotionalen Druck.

Der undurchschaubare und spröde wirkende Chris scheint der Ausweg zu sein. Entsprechend offensiv hält sie Carol ihr Glück vor und besteht trotz derer mitleidigen Torpedierungsversuche auf die Rundreise im Caravan. Die beginnt verheißungsvoll, harmonisch und geradewegs befreit. Bis Chris mit erkennbarer Absicht einen Störenfried überfährt. Die Entspannung ist erst einmal dahin, vermiesen lassen will sich Tina den verdienten Campingtrip jedoch nicht. Auch nicht, als sie erkennen muss, das der vermeintliche Unfalltote nur der Anfang war. Aber was tun? Anstatt Beziehung und Urlaub zu beenden, versucht sie sich auf den „Spleen“ des Partners einzulassen. Nur ist ausgerechnet dem Tinas bald entblößte dunkle Seite mehr als suspekt.

Mit Galgenhumor, improvisierten Dialogen und Einblicken in die Englische Provinz hält Wheatley den Film auf Kurs. Dass der ebenso politisch gegen den Strich gebürstet wie keinesfalls massentauglich ist, sollte offengeistige Zuschauer jedoch nicht fernhalten. Denn Lowe und Oram, die verschiedene Szenen als Sketchpartner bereits seit Jahren ausfeilen, harmonieren als dysfunktionales Paar absolut überzeugend; wenn auch nur bedingt liebenswert. „Sightseers“ ist ein galliger Affront gegen die viel zitierte britische Korrektheit und zielt bewusst darauf ab, dass dem Zuschauer das Lachen im Halse stecken bleibt. Mit ruhiger Hand inszeniert, überzeugt die derbe Nischen-Morität nicht allein Urlaubsmuffel – und verabschiedet sich mit einer makabren Schlussszene, deren Abruptheit fast verstörend wirkt. Ein konsequent nonchalantes Werk.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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