Sie nennen ihn Radio (USA 2003)

sie-nennen-ihn-radioWie sich der steile Karriereanstieg Oscar-prämierter Hollywood-Akteure nach vollzogener Ehrung revidieren kann, illustriert neben Marisa Tomei („Mein Vetter Winnie“) wohl niemand beispielhafter als Cuba Gooding Jr. Nach der Auszeichnung als bester Nebendarsteller für seine Darbietung in Cameron Crowes „Jerry Maguire“ (1996) ließ sich der afroamerikanische Mime auf seichte bis platte Komödienkost festnageln. Ein künstlerisches Tal der Tränen, welchem der 36-jährige zumindest im Ansatz zu entfliehen versucht. Bedauerlich nur, dass diese Bestrebungen zumeist schwülstig-pathetische Dramen wie „Men of Honor“ oder jüngst „Sie nennen ihn Radio“ nach sich ziehen.

Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt letzterer die Geschichte des behinderten Außenseiters James Robert Kennedy (Cuba Gooding Jr.), der im beschaulichen Südstaatenstädtchen Anderson, South Carolina, nicht nur mit Vorurteilen bezüglich seiner mentalen Beeinträchtigung, sondern auch seiner Hautfarbe zu kämpfen hat. Als der angesehene Pädagoge und Trainer des örtlichen High School Footballteams, Harold Jones (Ed Harris, „Pollock“), eine zarte Bande der Freundschaft zu dem verschwiegenen Jungen knüpft, stößt der gutmütige Familienvater mit diesem Schritt der zwischenmenschlichen Integration auf zwiegespaltene Resonanzen.

Der passionierte Sportfan James, von allen aufgrund seiner Leidenschaft für Transistorempfänger nur Radio genannt, wird von Coach Jones in den Kreis seiner Spieler eingeführt und avanciert alsbald zu einer Art Maskottchen des Teams. Darüber hinaus gewährt der väterliche Mentor dem Jungen Zugang zu seinen Unterrichtseinheiten. Unter stummer Duldung der Rektorin Daniels (Alfre Woodard, „Die Vergessenen“) blüht Radio im neu erschlossenen sozialen Umfeld auf. Als jedoch dessen Mutter Maggie (S. Epatha Merkerson, „Jersey Girl“) urplötzlich wegen eines Herzinfarkts aus dem Leben scheidet, sieht der intrigante Missgünstling Frank (Chris Mulkey, „The Hidden“) den Moment des Handelns gekommen.

„Sie nennen ihn Radio“ ist ein sensibles, hervorragend besetztes und gut gespieltes Drama, dessen ambitionierte Intention durch moralinen Zuckerguss beinahe gänzlich zersetzt wird. Regisseur Mike Tollins („Summer Catch“) schablonenhafte Inszenierung fokussiert in unspektakulären Bildern die wachsende Freundschaft zweier gänzlich differenter Menschen. Diese wird aufgrund der weitaus akribischer und inspirierter anmutenden Realisierung der rasanten Sportsequenzen vornehmlich in den Hintergrund gedrängt, was eine beständige inhaltliche Heterogenität zur Folge hat. So scheitert das engagierte wie oberflächliche Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz nicht zuletzt an seiner Befangenheit in den Konventionen des zeitgenössischen amerikanischen Kinos.

Nicht minderen Anstoß erregt auch die fahrlässige Vernachlässigung der familiären Aspekte der beiden Hauptfiguren, die einzig in sporadischen Episoden am Rande des Geschehens beleuchtet werden. Dies hat zur Folge, dass beinahe jedweder Charakter abseits der inhaltlichen Grundausrichtung stereotype Wesenszüge annimmt. Neben Debra Winger („Forget Paris“) als namhafter Lückenfüller sticht in diesem Zusammenhang die klischeebeladene Darbietung Chris Mulkeys hervor, der die Bresche des 1998 verstorbenen Daueropponenten J.T. Walsh („Pleasantville“) nur unzureichend zu schließen vermag. Zu guter letzt setzt der auf auditiven Schmonz geeichte Komponist James Horner („Titanic“) dem gut geölten Hollywood-Rührstück die Krone ungezügelten Schmalzflusses auf.

„Sie nennen ihn Radio“ ist trotz guter Leistungen seiner Hauptakteure kitschige Unterhaltung nach gängigem Baumuster. Inhaltlich unausgegoren und formal ohne Überzeugungskraft suhlt sich das durchwachsene Gutmenschenkino in Predigten über Anstand und Gleichwertigkeit. Wohl gemeint mag diese Aussage sein, obgleich versehen mit dem schalen Beigeschmack unzulänglicher Undifferenziertheit. Zumindest fällt angenehm ins Gewicht, dass Cuba Gooding Jr. sein Talent nicht ausschließlich an mittelklassige Possen des Kalibers „Rat Race“, „Boat Trip“ oder „Snow Dogs“ vergeudet.

Wertung: 5 out of 10 stars (5 / 10)

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