Running Scared (USA/D 2006)

running-scaredPaul Walker ist eine der zahllosen Huren des Establishment Hollywoods. Sein Kapital ist die Attraktivität, schauspielerisches Talent wird dem Nutznießer kommerzieller Anspruchslosigkeit kaum abverlangt. Bei Engagements wie dem spielfilmlangen Bademodenkatalog „Into the Blue“ ist Fachkompetenz ohnehin nicht gefragt. Aber auch Paul Walker lechzt nach Variabilität, dem Beweis, das mehr in ihm steckt als der gut gebaute Schönling ohne Profil. Die Independent-Produktion „Running Scared“ schien eine solch verheißungsvolle Bewährungsprobe.

Wayne Kramers Film ist im Kino der Gegenwart eine Ausnahmeerscheinung. In den Siebzigern gab es solche Produktionen zuhauf. Sie prägten den Begriff der Exploitation. Mit „The Cooler“ stellte Kramer beachtliches Talent als Autor und Regisseur unter Beweis. Warum er dem Autorenkino ausgerechnet das Autokino folgen lässt, bleibt rätselhaft. „Running Scared“ ist ein Exploiter jener Schule, der Charles Bronson als rot sehender Vigilant über Jahre die Treue hielt. Dreckig, hundsgemein, voll selbstzweckhafter Brutalität. Was früher die Gemüter erregte, scheint heute Alltäglichkeit. Nur so ist zu erklären, dass ein Film, in dem Kinder geschlagen werden, Selbstjustiz Huldigung erfährt und stilisierte Gewalt Schauwerte generiert mit einer Altersfreigabe ab 16 davonkommt.

Politisch unkorrekter ging es im US-Kino lange nicht zu. Unglaubwürdiger im übrigen auch nicht. Paul Walker ist klassisch fehlbesetzt, obgleich er die mangelnde Kredibilität des Plots mit erstaunlicher Souveränität trägt. Das überraschende ist, dass Wayne Kramer seinen Hauptdarsteller bewusst nicht als reinrassigen Sympathieträger einführt. Der von Walker verkörperte Joey Gazelle ist ein eben solcher Scheißkerl wie der Rest der Figuren. Seine Filmfrau (Vera Farmiga, „15 Minuten Ruhm“) und der Filmsohn wohlwollend ausgeklammert. Joey ist ein Laufbursche des organisierten Verbrechens. Nach dem gewaltsamen Tod zweier Polizisten soll er die Mordwaffe verstecken. Er tut es in seinem Keller, heimlich beobachtet von seinem Sohn und dem Nachbarsjungen Oleg (Cameron Bright, „Godsend“).

Das vorgezeichnete Milieu besteht aus Klischees und Nihilismen. Jeder ist korrupt, egozentriert und gewaltbereit. Selbst die Kinder. Weil Olegs cholerischer Vater (Karel Roden, „Hellboy“) dem Jungen mit Vorliebe die Scheiße aus dem Leib prügelt, stibitzt der Knabe die Mordwaffe aus dem nachbarschaftlichen Kellerversteck und feuert auf den Erziehungsberechtigten. Fortan gerät Joey nicht nur gegenüber seinen Gangsterkumpanen in Erklärungsnotstand. Auch der kriminelle Cop Rydell (verschenkt: Chazz Palminteri, „Die üblichen Verdächtigen“) will seinen Vorteil aus der prekären Situation ziehen. Zwischen allen Fronten stolpert Joey auf der Suche nach Oleg und dem Beweisstück von einer Katastrophe in die nächste. Unterdessen wechselt die Pistole vermehrt ihren Besitzer.

Die Rasanz der Inszenierung hält den Zuschauer bei der Stange. Wer sich am Leid anderer ergötzen kann, findet in „Running Scared“ ein Füllhorn der Radikalität. In haltlos überzogenen Episoden setzt sich das Puzzle eines Molochs zusammen, der Gefallen daran findet, sich in Schmerz und Blut zu wälzen. Die Verpackung dieses moralisch schwer vertretbaren Kinokuriosums besteht aus hektischer Kameraführung und abrupter Bildmontage. Der Regisseur kopiert die Stilmittel der jüngsten Tony Scott-Streifen „Mann unter Feuer“ und „Domino“ mit Wonne. Lange hält Wayne Kramer die Kompromisslosigkeit des Szenarios aufrecht. Menschen werden erniedrigt, gedemütigt, in Stücke geschossen oder – wie im Falle des absurd verzerrten Kinderschänderpärchens – kaltblütig hingerichtet. Am Ende aber verlässt ihn der Mut, dem überharten Thriller ein würdiges Finale zu bescheren. Seiner Zwiespältigkeit entkommt der ruppige Film selbst in dieser Hinsicht nicht.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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