Revolver (GB/F 2005)

revolver-ritchieMit „Bube, Dame, König, grAS“ und „Snatch“ avancierte Guy Ritchie zum Kultregisseur. „Swept Away“ brachte die Wende und überschüttete ihn mit Hohn. In seiner Heimat England wurde der Film nicht einmal im Kino gezeigt. Die Höchststrafe. „Revolver“ ist Ritchies Bestreben nach Umkehr, der Einschlag auf den richtigen Pfad. Doch ist es der Weg zurück in die Gunst von Kritikern und Publikum? Ja und nein. Ja, weil die Geschichte abermals im Milieu der Gangster und Halbweltschurken angesiedelt ist. Nein, weil der Filmemacher gleichsam all jenen vor den Kopf stößt, die ihre Hoffnungen auf eine weitere Thriller-Groteske auf den Spuren Quentin Tarantinos gesetzt haben.

Im Grunde muss Guy Ritchie zu seinem Viertwerk gratuliert werden. Der Streifen ist kaum mit Debüt und Durchbruch in Einklang zu bringen. Gut so. Doch birgt diese Entwicklung Tücken. Und die offenbaren sich spätestens, wenn das kryptische Finale ausnehmend ratlose Zuschauer zurücklässt. Die Geschichte um den Spieler Jake Green, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zur Figur einer perfiden Schachpartie wird, steckt voller Mysterien. Jason Statham („The Transporter“), Ritchies charismatischer Wegbegleiter über die ersten beiden Kinofilme, spielt den instrumentalisierten Gauner mit spitzer Zunge. Trotzdem nimmt Ironie eine nur untergeordnete Rolle ein.

Die Dynamik der Erzählung, des Schnitts und der Bildarrangements ist noch immer vorhanden, wenn auch deutlich abgespeckt. Im Zusammenspiel mit erwählten Musikstücken bildet die Fotografie eine stilistisch einwandfreie Einheit. Ritchies Publikum ist das von ihm gewohnt. Doch etwas ist anders. „Revolver“ ist düsterer, ernsthafter und undurchsichtiger. Das ist neu. Bei Schusswechseln verfällt die Kamera in Hektik. Gewalt ist kaum mehr cool, geschieht deshalb fast ausschließlich im Abseits. Mit Konventionen bricht der Regisseur, ein überragender Ray Liotta („GoodFellas“) unterstützt ihn dabei.

Liotta ist der gefürchtete Casinobesitzer Macha. Am Spieltisch dieses Mannes gewinnt nur er. Profispieler Jake hält sich nicht an diese Regel und demütigt den Herrn des Hauses. Das ist sein Todesurteil. Bevor dieses aber durch Profikiller Sorter (Mark Strong, „Der Mann, der niemals lebte“) vollstreckt werden kann, wird Jake eine schwere Krankheit diagnostiziert. Bis zum Tod verbleiben ihm lediglich drei Tage. Nach einem gescheiterten Attentat lässt er sich auf ein dubioses Geschäft mit den Geldhaien Zach (Vincent Pastore, „Carlito’s Way“) und Avi (Outkast-Sänger André Benjamin, „Be Cool“) ein: Sein gesamtes Vermögen gegen Personenschutz.

Ritchie wirft im Verlauf der Geschichte Fragen auf, knüpft lose Enden und bietet wenig Antworten. Je mehr sich der todgeweihte Jake seinen Beschützern öffnet, desto größer werden seine Zweifel. Welches Ziel verfolgen Zach und Avi wirklich? Was hat Mucha mit der Sache zu tun? Wie passt die chinesische Mafia ins Bild? Und wer verbirgt sich hinter dem ominösen Super-Gangster Gold? Für dessen schier mystische Darstellung bedient sich Ritchie bei Keyser Soze, dem allmächtigen Strippenzieher aus „Die üblichen Verdächtigen“.

Eine befriedigende Auflösung bleibt aus, das gedehnte Schlussdrittel läuft schlicht ins Leere. Dabei überschlagen sich innere Monologe und Wahnvorstellungen. Eine Klimax zwischen Spieler und Casinobesitzer folgt nicht. Dafür obskure Tötungsdelikte im Zuge eines wahnwitzigen Attentats auf Mucha. In der Folge sorgt Mark Strong als Auftragsmörder mit Biedermannerscheinung für Höhepunkte. Danach ist Schluss mit der Geradlinigkeit. Der Film gibt sich verschachtelt, die Erzählebenen verschweißen, die Hintergründe vernebeln. „Revolver“ ist mit Vorsicht zu genießen. Kein zweiter „Snatch“, aber auch kein zweiter „Swept Away“. Immerhin. Nur die überflüssigen Trickfilmeinlagen hätte sich Guy Ritchie sparen können. Aber vielleicht geht es einfach nicht ganz ohne Anleihen bei Tarantino.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

 

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