Refused – Freedom (2015, Epitaph Records)

refused-freedomGibt es ein Leben nach „The Shape of Punk to Come“? Für die 1998 in ihren Grundfesten erschütterte Musikwelt sicher, bezogen auf REFUSED, die Urheber des modernen Hardcore-Meilensteins, schien die Frage bislang aber weit weniger eindeutig beantwortbar. Der Begeisterung der Subkultur folgte der massenmediale Hype. Hinter ihm blieb die politische Message, seit jeher einer der wichtigsten Stützpfeiler ihrer Identität als Band, deutlich zurück. Der in ihren Texten so häufig angeprangerte Kapitalismus vereinnahmte seine schärfsten Kritiker. Den Gesetzmäßigkeiten des Pop aber wollten sie nicht genügen. Was blieb war die (vorsorgliche) Auflösung. Die hatte bis 2012 Bestand, als die Schweden für weltweit mehr als 80 Konzerte wieder zusammenfanden.

Die nachhaltige Reunion erfolgte im vergangenen Jahr. Ihr folgte die Ankündigung eines neuen Albums. Dessen Titel „Freedom“ darf durchaus programmatisch aufgefasst werden. Denn so heftig REFUSED in den vergangenen Jahren bisweilen auch kritisiert wurden, der Nachfolger zum unerreichten „The Shape of Punk to Come“ gibt ihnen gerade aufgrund des unbedingten Klassikerstatus die Freiheit, fernab von Druck und übertriebener Erwartungshaltung ihren Weg zu gehen. Doch was sie daraus machen, ist mit einem Wort als enttäuschend zu bezeichnen. Wenn Frontmann Dennis Lyxzén im eröffnenden „Elektra“ die Worte „Nothing has changed“ brüllt, hofft man im Subtext noch, sie könnte auf den vierten Langspieler selbst bezogen sein.

Doch Hoffnung folgt rasch Ernüchterung – und die Gewissheit, dass UNITED NATIONS recht hatten, als sie 2008 in „The Shape of Punk That Never Came“ brüllten:

„If all the classics go out of fashion, what will we do with all of the passion?
Because the shape of punk to come never came and will never come.
Dennis, are you listening? Is there something that I’m missing?
Where is the passion? Was it just fiction?
If that’s the best that we can do, well, I’d rather be dead.“

Die Revolution, das wird spätestens anhand von „Freedom“ klar, ist ausgeblieben. Der Grund ist nicht die Zusammenarbeit mit Karl Schuster, der als Shellback u.a. „Moves Like Jagger“ von MAROON 5 komponierte. Diese Vermengung von Hardcore und Pop birgt mehr Chance als Risiko. Zumal das von ihm co-kreierte „Elektra“ einer der besten Songs des Albums ist. Das zwischenzeitliche Dilemma offenbart sich an anderer Stelle. REFUSED sind im Jahr 2015 sperriger, bombastischer, wirken dabei aber auch bisweilen enorm überfrachtet. Statt Hardcore setzt es Rock, anstelle der kleinen Clubs müssen es wohl mittlerweile die großen Stadien sein. Nur leider bleibt die Wirkung weitgehend aus. Laut Lyxzén ist „Freedom“ musikalisch wie textlich das radikalste Werk ihrer Geschichte. Das scheint schwer zu glauben.

Denn trotz reichhaltiger Inspirationsquellen (Pate stand bevorzugt der Blues-Rock, wie u.a. das mit Bläsern angereicherte „War On the Palace“ oder „Servants of Death“ zeigen) zünden die wenigsten Nummern (eine Ausnahme ist das minimalistische „Useless Europeans“). Vielmehr wirkt die Scheibe überdimensioniert und mit seltsamen stilistischen Aussetzern versehen. Der Kinderchor beim groovenden „Franḉafrique“ etwa ist an verkitschter Bedeutungsschwere kaum zu überbieten. Den Drang zur unbedingten Weiterentwicklung wird ihnen niemand absprechen wollen. Doch als sich die Band mit „Refused Are Fucking Dead“ verabschiedete, dürfte niemand geahnt haben, dass dem Triumph 17 Jahre später ein solcher Absturz folgen würde. Das Warten hat sich nicht gelohnt.

Wertung: 5.5 out of 10 stars (5,5 / 10)

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