[Rec] (E 2007)

recFrüher war „Blair Witch Project“ das Maß aller Dinge im minimalistischen Schrecken der subjektiv geschwenkten Handkamera. Heute ist das anders, die Effekte haben auch in diesem Metier Einzug gehalten. Von einer direkten Schlichtheit sind die Bilder noch immer ergriffen. Nur finden sich mittlerweile auch in ihnen Tricks und Kniffe, deren aufwändige Erstellung das Budget in die Höhe treibt. Wie bei „Cloverfield“, der dem Sensationserfolg um die Hexe von Blair den Rang ablief – und der in Verbindung mit Romeros „Diary of the Dead“ Pate stand für „[•Rec]“, die spanische Variante der Horror-Mockumentary.

Für einen lokalen Fernsehsender soll Journalistin Ángela (Manuela Velasco, „School Killer“) eine Crew von Feuerwehrleuten portraitieren. Die Sicht des Publikums ist die der Kamera, vor der die junge Frau Einleitungen wiederholt und Interviews führt. Auch zum Einsatz soll es gehen, der, als die Sirene ertönt, eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes entblößt. Die erlebt nun auch der Zuschauer hautnah, schließlich mahnt Ángela den Kameramann mehrfach, auch ja dicht am Geschehen zu bleiben. Ablegen wird er das Arbeitsgerät nur kurz, um im Bild reduziert auf seine Füße in den Überlebenskampf einzugreifen.

Darin liegt eine Konsequenz, die „Cloverfield“ zum Malus geriet. Die Dauerfilmerei der vom Großstadt zertrümmernden Monster heimgesuchten Twens wirkte bisweilen überzogen. In „[•Rec]“ ist es der Anspruch der medialen Offenlegung, das detailgetreue Veranschaulichen des Desasters, das dem Film zum unerschütterlichen Standbein gerät. Es ist wie im Kriegsgebiet. Nur lässt das Regie-Gespann Jaume Balagueró („Darkness“) und Paco Plaza („Romasanta“) keine Bomben regnen, es stellt jenes Gebäude unter Quarantäne, in das die Kamera der Feuerwehr zum Notfall gefolgt ist.

Fortan wird Ángela zur Kommentatorin des Ausnahmezustands. Die Eingeschlossenen sehen sich um ihre Freiheit beraubt. Der Informationsfluss von Außen ist spärlich. Also wird die Situation skandalisiert, unwissend welche Gefahr sich im Inneren tatsächlich ausbreitet. Es ist ein Virus, der Menschen in rasende Bestien verwandelt und gar die Toten zu neuem Leben erweckt. Das ist bekanntes Terrain, dem Balagueró und Plaza über das pseudo-authentische Stimmungsbild aber eine solch beklemmende Intensität abringen, dass sich die Spannung mit zunehmender Eskalation ins unermessliche potenziert.

Der gegen Ende mehr zufällig aufgetane Ursprung der Epidemie wirkt überflüssig, behindert jedoch nicht das schaurige Auskommen eines hundsgemeinen und zunehmend drastischen Schockers, dem die US-Neuverfilmung – unter dem Titel „Quarantine“ – stehenden Fußes folgte. Wenn es Àngela und ihren filmenden Begleiter auf den Dachboden verschlägt, erwacht auch der Gothic-Horror eines H.P. Lovecraft zu neuem Leben. Einzige Lichtquelle ist die Kamera, deren Sichtfeld stetig reduziert wird, bis auch der letzte Funken Hoffnung in der Schwärze verschwunden ist. Ein überragendes Stück Angstkino.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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