My Name is Joe (GB/F/D/I/E 1998)

my-name-is-joeHartz IV und Teuerungsrate konfrontieren die Bundesbürger mit der Grausamkeit einer finanzschwachen Realität. Die Konsequenz ist die Identifikation mit der Ausweglosigkeit. Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit gab die Losung ´Arm aber Sexy´ aus. Für die Antihelden aus Ken Loachs Arbeiteruniversum ist das so unpassend wie für Deutschlands Hauptstadt selbst. Vielleicht sollte sich Wowereit Loachs ungeschönten Blick für die soziale Randlage aneignen. Der britische Meisterregisseur („Bread and Roses“) hat ein untrügliches Gespür für die Authentizität der Bedürftigen. Der politischen Elite könnte das nur zum Vorteil gereifen.

„My Name is Joe“ ist Sozialpanoptikum und knarzige Romanze zugleich. Titelgeber Joe, grandios gespielt von Peter Mullan („Das Reich und die Herrlichkeit“), ist trockener Alkoholiker, arbeitsloser Sozialhilfeempfänger und verhindertes Trainergenie einer Glasgower Hobbymannschaft. Die läuft seit Äonen mit den verblassten Trikots der deutschen Weltmeister von 1974 auf. Dem verdammten Heimrecht verdanken die Gelegenheitskicker das Spiel oben ohne. Denn der Gegner trägt ebenfalls Deutsch. Da hilft wenig, dass einer seit einer Ewigkeit Franz Beckenbauer ist.

Der Humor ist furztrocken. So atmet er Wirklichkeitsnähe und tüncht nicht den realitätsgetreuen Blick auf sein im Scheitern begriffenes Milieu. Joe hat sich seine Herzlichkeit bewahrt. Auch seine Zuversicht. Beides bringt ihn der Sozialarbeiterin Sarah (Louise Goodall, „Carla’s Song“) näher. Emotional geht es bergauf, ebenso rasant wieder bergab. Sein Spieler Liam (David McKay, „Braveheart“) steht hoffnungslos bei Gangster McGowan (David Hayman, „Der Boxer“) in der Kreide. Um ihm aus der Patsche zu helfen, wird Joe zum Drogenkurier. In der Absicht, das Leben anderer zu bessern, bringt er das seinige in Gefahr. Und gibt obendrein die Beziehung zu Sarah dem Scheitern preis.

Der oft zitierte Realismus in den Filmen Ken Loachs gründet sich auf die Vielschichtigkeit der Genres. Das Leben selbst ist nicht nur schwarz und weiß, es ist Komödie und Drama. Der Anstrich der Depression täuscht nicht über den verhaltenen Optimismus hinweg, den die Figur des Joe trotz aller Widrigkeiten ausstrahlt. Am tragischen Schlusspunkt endet die Erzählung. Gern würden wir Joe in seiner ungewissen Zukunft noch ein Stück begleiten. Als Betrachter, der in der Reflexion der Wirklichkeit nicht sich, aber vielleicht eine Person seines nahen Umfelds erkennen mag. Das Menschsein in all seiner Fehlbarkeit ist Loachs Stärke. Sein Trumpf sind die begnadeten Schauspieler.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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