Murderball (USA 2005)

murderball„Murderball“, so hieß früher die Sportart des Rollstuhlrugby. Mit solch einem Namen aber sind keine Sponsoren zu gewinnen. Also wurde er geändert. Geblieben ist die Härte, schließlich erfordern die Beeinträchtigungen der Spieler keine falsche Rücksichtnahme. Sie sind Profis, da erscheint es irrelevant, ob ihnen nun die Beine fehlen oder in welchem Grad Halswirbel und Rückenmark geschädigt sind. Ihnen gemeinsam ist die Tetraplegie, die inkomplette Lähmung. Und der unbedingte Wille zum Sieg.

Der kräfteraubend martialischen Ertüchtigung, mehr noch deren Ausführenden, haben Henry Alex Rubin (Second Unit Director von „Girl, Interrupted“) und Dana Adam Shapiro einen Film gewidmet. Auch er heißt „Murderball“. In dem zeigen sie, wie die Athleten mit ihren umgebauten, endzeitlich anmutenden Rollstühlen aufeinander zubrettern, sich rammen und nicht selten umstoßen. Sie sind moderne Gladiatoren und als solche begreifen sie sich auch. Alles, bloß nicht am Rande der Gesellschaft im Abseits kauern.

Die Oscar-nominierte Dokumentation will kein Mitleid für die Spitzensportler. Über weite Strecken gelingt es ihr sogar, die Behinderungen auszuklammern, sie mehr noch als integralen Teil der jeweiligen Person aufzufassen. Das Spiel fungiert nur als Rahmen. Zum Auftakt wird die Weltmeisterschaft 2002 in Schweden zusammengefasst. Sie ist der Aufhänger, der Startpunkt der Zuspitzung in der Rivalität zwischen den Nationalteams der USA und Kanada. Das scheinbar unbezwingbare Amerika wird im Finale niedergerungen. Ausgerechnet vom ungeliebten Nachbarn.

Kanadas Auswahl wird trainiert vom portugiesischen Auswanderersohn Joe Soares, einer Legende seines Sports. Als aktiver Spieler hat er für die USA jeden Triumph und jede Trophäe errungen. Irgendwann wurde er zu alt und aussortiert. Darauf wurde er zum Coach des ärgsten Rivalen. Joe ist einer der portraitierten Typen des Films. Von ihnen gibt es viele. Harte Kerle, die sich aus der Depression der schwierigen ersten Jahre herausgekämpft haben. Ihr Ziel sind die Paralympics 2004 in Athen, wo es zur großen Revanche zwischen den Mannschaften kommen soll.

Zwar dient der Sport als Antrieb, im Mittelpunkt stehen jedoch die persönlichen Umfelder. Die Inszenierung ist locker, nicht nur dank des mit-produzierenden Fernsehsenders MTV schnell geschnitten und immer unmittelbar am Geschehen. Entgegen aller alltäglichen Widrigkeiten ist da pure Lebenslust. Joes jüngeres US-Äquivalent ist Mark Zupan, der zu Schulzeiten bei einem Unfall von der Ladefläche des Pick Up-Trucks seines besten Freundes geschleudert wurde. Auch er ist ein dominanter Charakter, ein Kämpfer. Das macht ihn zum Vorbild.

Eine entscheidende Rolle im Leben der Nationalsportler spielt Sex. Sie sprechen offen darüber, sie witzeln, sie haben ihn. Im Film nimmt keiner ein Blatt vor den Mund. Auch das macht „Murderball“ so großartig. Aufgezeigt wird der Ballungsraum sehr persönlicher Einzelschicksale, vermittelt werden verschiedene Sichtweisen auf den gleichen Kern. Und der bedeutet nicht weniger, als diese Menschen in all ihrer Vollwertigkeit zu begreifen. Wer stört sich da noch an fehlenden Gliedmaßen?

Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

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