Mondo Cannibale (I 1972)

mondo-cannibaleCannibale und Liebe.

Der Reiz an den Gebräuchen und Riten zivilisationsfremder Naturvölker schuf in den Sechzigern den Mondo-Film. Zwar dienen auch jene dokumentarischen Zeugnisse exotischer Sitten lediglich der Befriedigung einer anrüchigen Neugier auf das Fremde und (je nach Gusto) Abstoßende. Doch bemühten sich zumindest frühe Vertreter um eine gewisse Nüchternheit, die der sensationslüsternen Ausschlachtung des Materials entgegenwirkte. Irgendwo in der Mitte rangiert Umberto Lenzis Exploitation-Klassiker „Mondo Cannibale“, der sich trotz seines Titels als reiner Spielfilm erweist. Wenn dieser auch behauptet, auf wahren Begebenheiten zu beruhen.

Ivan Rassimov (spielte auch in „Mondo Cannibale 2 – Der Vogelmensch“) gibt den britischen Fotojournalisten Duane John Bradley, der das in Teilen noch unerforschte burmesisch-thailändische Grenzgebiet bereist. Zur Kontrastierung der unberührten Naturkulisse streift er eingangs durch Bangkok, besucht einen Thaiboxkampf und ersticht in einer Bar im Affekt einen Angreifer. Von Belang ist dieser episodische Einstieg nicht, doch er drängt den Briten zum Aufbruch ins wilde Hinterland. Mit einem einheimischen Führer schippert er einen Fluss hinauf, bis er seinen Begleiter in unerschlossenem Gebiet eines Morgens mit einem Pfeil im Hals tot am Ufer findet.

Die verantwortlichen Eingeborenen nehmen den vermeintlichen Fischmenschen (Bradley trägt zu diesem Zeitpunkt einen Neoprenanzug) gefangen und halten ihn als Sklaven. Dabei erregt er die Aufmerksamkeit von Dorfschönheit und Häuptlingstochter Maraya (Me Me Lai, „Lebendig gefressen“), die sich für ihn einsetzt. Auch dann noch, als er während eines Fluchtversuchs den ihr versprochenen Vorzeigekämpfer tötet. Der Engländer nähert sich den Lebensgewohnheiten der Wilden an, erlernt ihre Sprache und heiratet schließlich Maraya. Als sie erst schwanger und schließlich krank wird, stößt Bradley an seine Grenzen. Denn die rettende Überstellung der Geliebten in ein Krankenhaus ist nach Stammesgesetz untersagt.

Die titelgebenden Kannibalen müssen natürlich auch noch eine Rolle spielen und treten als feindliche Gemeinschaft auf den Plan, deren Jäger über die Frauen der Nachbarn herfallen und diese nach vollzogenem Vergewaltigungsmarathon anknabbern. Solche Ruchlosigkeiten aber können auch vom letztlich akzeptierten Bradley nur mit dem Herausschneiden der Zunge geahndet werden. Ansonsten frönen er und Maraya den Freuden der Nacktheit und steifem Gefummel vor farbenfroher Naturkulisse. Ein Konflikt ergibt sich aus der Eifersucht des Dorfschamanen (mit Vogel auf der Schulter!) auf den blonden Fremdling, der die hergebrachten Heilmethoden verschiedentlich zu übertreffen vermag.

Lenzi ist, anders als bei seinen späteren Beiträgen „Lebendig gefressen“ und „Cannibal Ferox“, um eine (mehr oder weniger) realistische Darstellung des Eingeborenenalltags und ihrer Kultur bemüht. Was in der Herstellungszeit aber ungeheuer exotisch und fremdartig erscheinen sollte, wirkt mit seinen Parallelen zum „Mann, den sie Pferd nannten“ heute eher unfreiwillig komisch. So bleibt ein ehedem ambitioniertes, heute ordentlich angestaubtes aber immer noch sehenswertes Abenteuer-Drama, das durch fragwürdige reale Tiertötungen (erstmals außerhalb der dokumentarischen Vorbilder eingebracht) noch immer einen schalen Beigeschmack erhält.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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