Mitfahrer (D 2004)

mitfahrerMitfahrgelegenheiten sind Zweckgemeinschaften. Der Fahrer hat Gesellschaft und spart Geld, schließlich wird der Sprit ja doch nicht billiger. Keine große Sache eigentlich. Man schwatzt, oder auch nicht, schläft, stiert aus dem Fenster. TV-Regisseur Nicolai Albrecht („Im Namen des Gesetzes“) sieht das anders. Bei ihm wird das Automobil zur Bühne, auf der sich illustre Gestalten tummeln, die lieben und leiden, sorgen und fluchen, in ihren Reaktionen aber an der Realität vorbei geschrieben scheinen. Zumindest anfangs. Aber „Mitfahrer“ überwindet die schwache Anfahrt. Glücklicherweise.

Episodisch verknüpft, erzählt Albrecht von verschiedenen Fahrten nach Berlin. Da ist Peter (stark: Ulrich Matthes, „Der Untergang“), Vertreter für Bademoden, der glücklich scheint, ein Ziel für seinen nie enden wollenden Redefluss gefunden zu haben. Und hübsch ist die junge Carolin (Anna Brüggemann, „Oktoberfest“) auch noch. Der schwarze Einwanderer Hilal (Michael Ojake, „Befreite Zone“) hingegen interessiert ihn nicht. Er muss auf die Rückbank. Einsam in der Gesellschaft anderer, das kennt auch Loubelle (Ingrid Sattes, „Die Biester“), die mit ihrer vorlauten Tochter auf dem Weg zum Ex-Freund ist.

Entgegen ihrer Prinzipien nimmt sie den zwielichtigen Sylvester (Ivan Shvedoff, „Die Anruferin“) mit, der von seiner ursprünglichen Mitfahrgelegenheit Katharina (Jana Thies, „Elefantenherz“) auf einem Rastplatz sitzen gelassen wurde. Für sie geht es mit dem jugendlichen Fabian (Michael Wiesner, „Sommersturm“) allein weiter. Er ist offenes Ohr für ihre Beziehungssorgen. Das wird Folgen haben. Der Ensemblefilm zeigt die Welt im Zeitraffer, ausgehend von den Sitzen verschiedener Autos. Die Figuren wachsen, auf ihre Art auch ans Herz. Allein das ist eine Leistung.

Die gute Beobachtungsgabe des Regisseurs für seine Figuren schafft Reize, die über die eingeschränkte Konstellation der Protagonisten und die Zufälle des Neu-Zusammenwürfelns auf der Rückfahrt hinwegsehen lassen. Albrechts Abschlussfilm überzeugt, wenn auch nicht über die volle Distanz. Zwar schöpft er bei den entlarvenden Dialogen aus dem Vollen, vernachlässigt darüber aber eine Bildsprache, die über den Zweckrationalismus des Fernsehspiels hinausgeht. Die Schwächen bleiben verzeihlich. Auch dank der geschlossen guten Darstellerleistungen. Ein sehenswerter Debütfilm.

Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

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