Menschenfeind (F 1998)

menschenfeindAnlässlich der Heimkino-Veröffentlichung von Gaspar Noes Skandalfilm „Irreversible“ entschieden sich findige Verleiher nun auch dessen Vorgänger „Seul contre tous“ (deutscher Titel: „Menschenfeind“) herauszubringen. Auch dieser Film aus dem Jahre 1998 unterstreicht Noes Status als Filmemacher mit Hang zum Kontroversen und ist ähnlich schwer zu verdauende Kost wie sein letztes Werk. Zwar verlangt er seinem Betrachter nicht ganz so viel ab, wie „Irreversible“ es tut, was schon allein daran liegt, dass die Nerven hier auf visueller Ebene weniger überbeansprucht werden. Drehende und sich permanent ändernde Kameraläufe hat man hier nicht zu befürchten, doch weiß Noe trotzdem, wie er den Blick des Zuschauers immer gebannt Richtung Geschehen halten kann.

Erzählt wird die Geschichte eines Metzgers (Phillipe Nahon), der sich sein ganzes Leben lang alleine durchschlagen musste. Die Eltern starben früh, eine ungewollte Schwangerschaft machte ihn zum Vater. Für einige Jahre ins Gefängnis wanderte er, nachdem er die erste Periode seiner Tochter für eine Vergewaltigung hielt und in rasender Wut den Erstbesten niederstach. Nach seiner Inhaftierung lernt er eine neue Frau kennen. Auch sie wird schwanger und die beiden ziehen weg. Sie hat Geld, mit der sie ihm eine neue Zukunft sichern möchte. Doch wieder hält die Gewalt Einzug und nach einer brutalen Auseinandersetzung mit seiner Freundin kehrt er nach Paris zurück. Doch die wirtschaftliche Lage macht es ihm schwer, einen Job zu finden.

Auch die Optik von „Menschenfeind“ ist nicht das, was als gängig bezeichnet werden kann. So wird häufig mit großen Einblendungen der Hauptfigur gearbeitet und sobald man einmal kurz zur Ruhe gekommen ist, wird man von einem peitschenden Schuss aus der Versenkung gerissen, der zusätzlich an die Aufmerksamkeit des Zuschauers appellieren soll. Während sich einem die Handlung von „Irreversible“ erst im Laufe der Zeit durch dessen rückwärts erzählte Geschichte erschloss, hat man es hier leichter. Nach einer kurzen und in unbeweglichen Bildern dargestellten Einführung durch die ersten 50 Jahre der Hauptfigur wird keine stringente Geschichte erzählt. Der Film setzt vielmehr plötzlich ein und zeigt den nüchtern betrachtet unverständlichen Weg und kranken Geist einer vom Leben nicht glücklich gepeitschten Figur.

Phillipe Nahon („Der Pakt der Wölfe“, „Die purpurnen Flüsse“) verkörpert diesen Mann, den Metzger, der sich alles erarbeiten musste. Doch fressen Hass, Unverständnis und offenkundige Abneigung gegen alles und jeden dieses kleine Pflänzchen Hoffnung schnell auf. Was bleibt sind Hasstiraden, Gewaltausbrüche und sexuelle Perversionen. Nahon mimt das kranke Stück Fleisch mehr als beeindruckend. Zu sehen sind meist große Einstellungen seines Kopfes. Man lernt ihn als verschlossenen, ruhigen und eher normalen Menschen kennen, aus dessen im Off erzählten Gedanken und Plänen jedoch nur Nihilismus strömt. Das endet nicht immer in drastischen Szenen, hält vor allem bei der „Trennung“ von seiner Freundin samt Kind echtes Schockpotenzial bereit.

So geht Noe mit seinem verzweifelt erscheinenden Charakter über 90 Minuten einen Weg, der nicht pessimistischer und depressiver sein könnten. In denen ist der Zuschauer meist mit der Hauptfigur allein, die über ihr Leben und ihre Gedanken erzählt. Diese entwickeln sich nach anfänglichem Optimismus jedoch schnell zu einem einzigen Geschwulst aus Hass, das in einem nicht abzuwendenden Drama zu enden scheint. Doch Noe setzt den von Beginn an eingeschlagenen Pfad nicht bis zum Ende fort, sondern schweift wenige Meter vor dem Ziel letztlich ab. Ein düsteres, negatives Ende wäre sicher die logische Konsequenz gewesen, denn so zieht Noe den Schlag in die Magengrube nicht voll durch. Dennoch ist auch „Menschenfeind“ ein Film, den man gesehen haben sollte. Doch auch hier muss man sich auf einiges gefasst machen.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

scroll to top