Match Point (USA/GB 2005)

match-pointMangelnde Produktivität kann man dem genialen Filmemacher Woody Allen mit Sicherheit nicht vorwerfen. In den Jahren seit 1965 hat der Dirigent von so großartigen Großstadtballaden wie „Der Stadtneurotiker“ oder „Manhattan“ mittlerweile bei 39 Filmen Regie geführt. Und auch wenn böswillige Kritikerkreise seine letzten Arbeiten nicht so zu würdigen gewusst haben, wie sie es verdient hätten, ist ein neuer Woody Allen-Film doch immer ein Bezugspunkt für Filmfreunde und Programmkinogänger. Mit „Match Point“ durchbricht das Regie-Ass diese Tradition – im positiven Sinne. Mit 20th Century Fox hat sich seit langem einmal wieder ein großer Verleih dem neuesten Werk des New Yorkers angenommen – und der wird den Film wohl nicht nur in Kinosäle mit Wohnzimmeratmosphäre bringen. Und auch die Kritikerriege hat „Match Point“ auf Linie gebracht. Viel Lob war für diesen Film zu lesen und zu hören – völlig zu recht.

Chris Wilton (Jonathan Rhys Meyers, „Alexander“) hat, was viele nicht haben – Glück. Der aus kleinen Verhältnissen stammende Tennislehrer lernt an seiner neuen Arbeitsstelle den hauptberuflichen Sohn Tom Hewett (Matthew Goode, „American Princess“) kennen, mit dem er sofort freundschaftliche Bande knüpft. Tom führt Chris in die Gesellschaft seiner Eltern ein und stellt ihm auch seine Schwester Chloe (Emily Mortimer, „Lieber Frankie“) vor. Die beiden verstehen sich sofort und es dauert nicht lange, da verstehen sie sich sogar noch besser. Doch auch auf Toms Verlobe Nola (Scarlett Johansson, „Lost in Translation“) hat Chris ein Auge geworfen. Nachdem Chris und Chloe geheiratet und Tom und Nola sich getrennt haben, kommt wie es kommen muss: Chris und Nola beginnen eine Affäre. Er hat jetzt alles, was er sich wünschen kann: Den Job als Tennislehrer hat er längst gegen eine lukrative Stelle in der Firma von Chloes Vater getauscht, zu Hause wartet eine Frau, die ihn liebt und ganz in der Nähe eine junge Blondine, auf die er scharf ist. Doch als Nola schwanger wird, wendet sich das Blatt. Sie will nicht mehr nur die Frau im Hintergrund sein, Chris will Chloe und vor allem die Privilegien, die mit ihr Verbunden sind, nicht verlassen. Er steht vor einem Dilemma, das es zu lösen gilt.

Sicher, die Story ist nicht neu – weder in filmischer Hinsicht, siehe „Eine Verhängnisvolle Affaire“, noch in Woody Allens Werk. „Match Point“ ist eine deutlich ausführlichere Variante eines der beiden Handlungsstränge von Allens weit unterschätztem „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“. Der Meister zitiert sich hier selbst – und das ist auch völlig in Ordnung. Doch einiges ist neu in diesem fantastischen Film. Zunächst einmal ist „Match Point“ der erste Woody Allen-Film, der vollständig außerhalb von New York gedreht wurde. Mit Ausnahme von Scarlett Johansson, die sinnigerweise eine Amerikanerin spielt, nutzt Allen nur britische Darsteller. Ein Versuch, der durchaus aufgeht. Sei es ein von Ewen Bremner („Trainspotting“) gespielter Inspektor, oder die ständig saufende Mutter von Tom und Chloe (Penelope Wilton, „Shaun of the Dead“) als herrliche Parodie der englischen Oberschicht – der Film ist bis in die kleinste Nebenrolle vorzüglich besetzt. Auch die drei Hauptfiguren, verkörpert von Jonathan Rhys Meyers, Emily Mortimer und Scarlett Johansson, stehen dem restlichen Ensemble in nichts nach.

Rhys Meyers gibt genüsslich den kultivierten Emporkömmling, Emily Mortimer die gut verzogene, dem Gemahl völlig ergebene Ehefrau und Scarlett Johansson die klassisch blonde Femme Fatale zum einen, dann die zerbrechliche und verletzliche Liebende zum anderen. Vor allem sie ist über jeden Zweifel erhaben. Die eindeutig beste Leistung seit „Lost in Translation“. Weiterhin ist „Match Point“ für einen Woody Allen-Film ungewöhnlich lang. Kann man bei den meisten Filmen des Auteurs mit der Stoppuhr die 90 Minuten nachmessen, gönnt uns der Regisseur diesmal satte 123 Minuten – und nie zieht es sich oder wird langweilig. „Match Point“ überzeugt in jeder routiniert inszenierten Einstellung. Auch stilistisch passt Allen sich seinem Londoner Umfeld an. Statt dem obligatorischen Jazzsoundtrack, wird der musikalisch sowieso spärlich untermalte Streifen überwiegend von Opernaufnahmen vertont. Vor allem aber bildet der fast immer graue Himmel einen passenden Hintergrund, vor dem sich dieses Drama abspielen kann.

Denn „Match Point“ ist keine Komödie. Zwar gibt es einige extrem lustige Szenen, die sind allerdings fast so zynisch wie die Woody Allen-Filme der späten 80er. Auch die Vorlage „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ ist in dieser Zeit entstanden – das merkt man. Von der Leichtigkeit eines „Anything Else“ oder „Hollywood Ending“ war ja schon in „Melinda & Melinda“ stellenweise nicht mehr viel zu merken – jetzt ist sie völlig verschwunden. Dennoch ist Woody Allen mit „Match Point“ seine bislang beste Arbeit dieses Jahrtausends gelungen. Es ist ein fantastisches Drama über Glück, Liebe, Eifersucht und Schuld, und dazu noch vollkommen massentauglich. Dafür eine Eins mit Sternchen!

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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