Interview mit On the Last Day (April 2007)

Sie gelten als AIDEN-Abklatsch, als Screamo-Einerlei und personifizierte Schminktipps. Das die fünf bleichgesichtigen Jungs von ON THE LAST DAY aber mehr sind als die bloße Kopie der Kopie, bewiesen sie im vergangenen Herbst mit ihrem Debütalbum „Meaning in the Static“. Das verfügte zwar über keine Neuerung, genügte aber durch Spielfreude und die überzeugende Variierung bekannter Genrezutaten für die Beanspruchung ihres eigenes Sitzplatzes im Zirkuszelt des melodischen Post-Hardcore. Im Januar 2007 unterstützten sie ihre Victory-Labelkollegen von SCARS OF TOMORROW auf ihrer Tour durch Europa. Die führte sie auch nach Berlin, wo sich Sänger Geoffrey Walker zum nachhaltig einzigen Interview ihres Auslandsbesuchs einfand.

Es waren die ersten Konzerte der Band außerhalb des amerikanischen Kontinents. Neun Tage, die sie unter anderem nach Rumänien, Kroatien und Italien führten. Viel zu sehen bekamen sie von der alten Welt allerdings nicht. Der eng platzierte Zeitplan ließ kaum mehr als die flüchtige Aufnahme von Impressionen zu. Dafür entschädigten die Shows, die in Bukarest ihren Höhepunkt erklommen. „Der Auftritt war unglaublich. Das Publikum ist sofort auf uns eingegangen und hat großartig mitgemacht. Einige der Zuschauer kannten sogar unsere Texte. Das war schon ein gutes Gefühl“, sagt Geoffrey. Es ist kurz nach ihrem Auftritt im Berliner K17. Hier zeigten sich die Zuschauer weniger Gastfreundlich. Die meisten konnten dem Wechselspiel aus Härte und emotionalem Gesang kaum etwas abgewinnen. „Nicht schlimm“, urteilt er, „Hauptsache wir haben überhaupt hier spielen dürfen.“

Mit Kritik scheinen ON THE LAST DAY umgehen zu können. Kurz nach AIDEN und durch die Fürsprache von deren Frontmann wiL Francis unter Vertrag genommen, wurden sie rasch als Klone der Shooting Stars abgestraft. „AIDEN sind Freunde von uns. Sie stammen wie wir aus Seattle. Aber deswegen klingen wir nicht wie sie.“ Es mag trotzig klingen, aber die Rechtfertigung birgt dennoch ihr Recht. Denn Musiker wie Geoffrey bewegen sich in einer Art Teufelskreis. „Viele Leute sehen unser Bandfoto und ordnen uns automatisch einer bestimmten Schublade zu. Dabei haben sie uns nicht mal eine Chance gegeben.“, führt er aus und ergänzt wiederholt: „Aber wir klingen nun mal nicht wie diese anderen Bands.“

Gemeint sind neben AIDEN vor allem MY CHEMICAL ROMANCE und AFI. Mit letztgenannten vergleicht sich die Band auf ihrer Homepage selbst. Ist das hilfreich, wo doch die Voreingenommenheit hinter jeder Ecke lauert? Die Antwort überrascht: „Irgendwie muss es so sein. AFI ist eine klasse Band. Viel gemeinsam haben wir mit ihnen nicht. Dafür sprechen sie ein bestimmtes Publikum an und verkaufen eine Unmenge an Platten. Was sollte falsch daran sein sich mit ihnen zu vergleichen?“ Eine gute Marktstrategie hat noch nie geschadet. Nur sollte das Echo der Öffentlichkeit nicht überraschen. „Fuck everybody else“, heißt es darauf – „Wir machen unser Ding. Wem das nicht gefällt der soll uns nicht hören.“

ON THE LAST DAY sind eine dunkle Band. Das spiegeln auch die Texte wider, in denen sich Geoffrey – in gleicher Weise wie wiL von AIDEN – eigenen Erfahrungen und Ängsten stellt. „Ich verarbeite Dinge, die ich nicht aus meinem Kopf bekomme. Ich mache sie zu Songs, damit sie nicht drinnen bleiben. Sie sind eine Art Worst Case Scenario und beschreiben Dinge, die hätten passieren können, wenn ich mich an bestimmten Punkten meines Lebens anders entschieden hätte.“ Für den Sänger und Songschreiber ist die Band ein Überdruckventil. Das hilft, um gegen den Schmerz und die Erinnerung anzukämpfen. Dazu kommt die Krankheit. Er ist Diabetiker. Hausieren geht er damit nicht. Wozu auch? Es ist Teil seines Lebens. Wie die Schatten der Vergangenheit. Die Musik ist Balsam auf der Seele. Wer kann es ihnen da noch übel nehmen, dass sie zu ihrer Transportierung zeitgenössische Trends und Stile pflegen?

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