Interview mit Miozän (Januar 2017)

Die wichtigste Frage zuerst: Frank, wie geht es dir?

Frank: Ich habe gerade einen Nachsorge-Termin hinter mir und bin krebsfrei.
Die Chemo hat zwar die Nervenenden an Händen und Füßen zerstört, aber das ist ein Preis,
den man gerne bezahlt. Besser so, als sechs Fuß tief einfach nur dumm abzuhängen! 🙂

Konditionell ist natürlich noch einiges im Argen, aber auch das wird täglich besser. Also wenn man die Umstände betrachtet, könnte es mir alles in Allem gerade nicht besser gehen. Danke!

Die vergangenen zwei Jahre waren für dich vermutlich ein Wechselbad der Emotionen. Wie fühlst du dich aktuell, insbesondere vor dem Hintergrund der Veröffentlichung eures neuen Albums „Surrender Denied“?

Frank: Ehrlich gesagt kommt es nicht selten vor, dass ich vorm Spiegel stehe und in Tränen ausbreche. Nicht weil es mir schlecht geht, sondern weil ich es emotional manchmal einfach nicht greifen kann. Meine Diagnose war von Anfang an nicht besonders positiv, dann gab es kurz Hoffnung, dann die erste OP mit der Nachricht, dass man für mich derzeit nix tun kann. Wir reden von Darmkrebs im T4 Stadium, d.h. Man wird eigentlich nur noch „palliativ“ behandelt.

Die Ärzte gehen in diesem Fall davon aus, dass man das Leben des Patienten nicht retten, sondern nur die Symptome lindern kann. Vor diesem Hintergrund hier jetzt krebsfrei in die Tasten zu hauen, lässt einen schon mal vor Freude in Tränen ausbrechen. Und „Surrender Denied“ ist einfach die musikalische Verarbeitung des Ganzen. Quasi selbstverordnete Psychotherapie. Das ist also heute (13.01.) ein ganz besonderer Tag für mich, den man mit Worten schwer beschreiben kann.

Die ganze Geschichte kommt mir ganz oft surreal vor und fühlt sich manchmal an wie ein verdammter Hollywood-Film. Die „Rocky“-Story in Echt, nur dass Apollo in diesem Fall der scheiß Krebs war.

Was hat für euch 2014 den Ausschlag gegeben, MIOZÄN zu reaktivieren?

Frank: Es hat einfach wieder gejuckt! Ich hab ja musikalisch in den letzten 25 Jahren nie Pause gemacht und war/bin in den letzten Jahren mit CRACKS&SCARS auch gut aktiv gewesen. Aber für mich war klar, dass da noch mindestens eine Hardcore-Scheibe in mir drin ist.

Und sowas muss dann bei mir auch raus. Die Diagnose hat dann geholfen, dass die Scheibe zu dem geworden ist, was es ist. Irgendwer, ich glaube Hetfield, hat mal gesagt: „Gute Musik kann man nur schreiben, wenn es einem scheiße geht“ – da ist absolut was dran.

Wer ist in dieser Zeit neu zur Band hinzugestoßen?

Frank: Bei Pille (Ex-Drums) war es so, dass es ihn schon gejuckt hätte, aber aus persönlichen Gründen für ihn nicht zu realisieren gewesen wäre, eine neue Scheibe einzuproben / einzuspielen. Den Platz hat jetzt Tomek übernommen (mein Buddy und Sidekick bei CRACKS&SCARS). Tom (Ex-Gitarre) ist zurück nach England gegangen, von daher war das auch nicht möglich. Tom hat aber z. B. auf der neuen Scheibe den Text zu „Reach Out“ geschrieben.

An der Klampfe ist dann Kniffel neu dazugekommen. Ein alter Kumpel, der eigentlich eher aus dem Metal-Bereich kommt, das Thema Hardcore aber ratzfatz verinnerlicht hat. Und ganz frisch ist Outso an der zweiten Klampfe dabei. Ist ganz witzig, Outso macht hier in der Gegend seit den späten 80ern aktiv Hardcore/Punk und war mit seiner alten Band FREEDOM BEGINS mit dafür verantwortlich, dass ich mir einen Bass gekauft habe und selber Musik machen wollte. So schließt sich der Kreis! 🙂

Als ihr deine Krebsdiagnose öffentlich gemacht habt, war der Zuspruch groß. Warst du überrascht von der entgegengebrachten Anteilnahme?

Frank: Überrascht ist der falsche Ausdruck. Überwältigt trifft es eher! Danke nochmal an Alle!!! Ihr habt mir dabei geholfen, zu überleben!

Inwiefern hat die Arbeit an „Surrender Denied“ geholfen, den Kopf in dieser schweren Zeit erhoben zu halten?

Frank: Wie oben schon geschrieben, war das Therapie für mich. Hardcore hat, wie keine andere Musik, mit sehr viel Emotion zu tun. Und die Energie die mit einem guten Hardcore Song freigesetzt wird, ist meiner Meinung nach mit keinem anderen Musikstil möglich oder vergleichbar. Wenn ich z. B. in der richtigen Stimmung „Tied Down“ von NEGATIVE APPROACH, „Victim in Pain“ von AF oder „Wake Up and Live“ von YOUTH OF TODAY höre, kocht mir das Blut und ich könnte Wände einreißen. Diese Power und positive Energie hat mir schlicht dabei geholfen zu überleben.

Die Platte kann ohne falsche Lobhudelei als Hardcore-Highlight bezeichnet werden – und wurde im Netz vor der Veröffentlichung massiv gefeiert. Hattet mit einer solchen Resonanz gerechnet?

Frank: Gehofft zumindest. Im Laufe des Songwritings, kam mir schon ab und zu der Gedanke, dass das was wir da machen nicht ganz sooo scheiße ist. 🙂

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Demons Run Amok, wo „Surrender Denied“ veröffentlicht wird?

Frank: Unser alter Buddy „Beaker“ Ex-RAWSIDE  hat irgendwann eine What’sApp geschrieben und gefragt, ob wir schon ein Label haben. Demons Run Amok sind gute Kumpels von ihm und so ist das dann fix zu Stande gekommen.

Dass eine politisch klar positionierte Band wie MIOZÄN immer ihre Daseinsberechtigung hat, zeigt sich bereits anhand der gegenwärtigen politischen Lage in Deutschland, Europa und den USA. Was geht angesichts von vielerorts spürbaren Abschottungstendenzen und dem generell zu erkennenden Rechtsruck in euch vor?

Frank: Das Gleiche wie schon ’91 zur Band-Gründung. Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte! Ich kann aber an dem heutigen Tag (13.01.) da leider nicht mehr zu schreiben.

Inwiefern hat sich die Hardcore-Szene aus deiner Sicht über die Jahre gewandelt? Kannst du den von H2O im Track „What Happened“ formulierten Vorwurf „Fashion Before Passion“ unterstreichen?

Frank: Den Ansatz kann ich nachvollziehen. Allerdings kriege ich davon nicht so viel mit, da es ja heutzutage mindestens zwei Hardcore-Szenen gibt. Auf der einen Seite die Kids, für die ganz andere Bands das Nonplus-Ultra sind, als für die alten „Szene-Hasen“ und wo die Hardcore-Wurzeln nicht so wichtig erscheinen. Und auf der anderen Seite die „Alten“, die Probleme damit haben, neue Bands anzuchecken, aber wo „Fashion“ absolut unwichtig ist.

Aber beides ist nicht geil. Dave, ein alter Kumpel und Weggefährte, der Sänger von VISION aus New Jersey, ist vor ein paar Tagen verstorben… einer der VISION Klassiker – „One and the Same“: „In between the lines – You will find – Standing side by side – We are one – One and the same“

Was sind deine Pläne für 2017?

Frank: Leben & geile Shows spielen!

Und auch die letzten Worte gebühren dir…

Frank: Danke für dein Interesse an uns! Checkt die Scheibe an und kommt zu den Shows!
Für alle da draußen, die im Freundes- oder Familienkreis ein ähnliches Problem wie ich haben/hatten, möchte ich sagen, dass es verdammt nochmal möglich ist die Scheiße zu besiegen! Der Kopf muss mitspielen!!!

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Euch viel Erfolg mit der neuen Platte und dir natürlich weiterhin gesundheitlich alles Gute!

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