I Spit on Your Grave (USA 2010)

i-spit-on-your-grave-2010Hey Kids, wie wäre es mit einem Film, in dem einem gefesselten Mann der Lauf einer Schrotflinte in den Arsch gerammt wird? Sind solche Grenzüberschreitungen, zumindest auf dem Papier, nicht genau das, was der ´Generation Saw´ den Reiz an der Explikation filmischer Gewalt bewahrt? Jene Klientel aber dürfte sich vom Remake des kontroversen `Rape-and-Revenge`-Schockers „I Spit on Your Grave“ übergangen fühlen. Denn der schnörkellose Hardcore-Thriller verzichtet fast vollständig auf Bluteffekte und entwickelt bei der harschen Verhandlung seiner zentralen Themen eine Intensität, die im modernen Horrorkino fast verloren schien. Untermauert wird diese These vom Gros der jüngeren Klassiker-Neuverfilmungen.

Während „Dawn of the Dead“ und „The Hills have Eyes“ in der zeitgemäßen Übersetzung einen überzeugenden Zugang fanden, ohne die Essenz der Vorlagen zu verwässern, stehen „Texas Chainsaw Massacre“ und „Last House on the Left“ für eine Strömung angepasster und vergleichsweise hochbudgetierter Gewaltfantasien, die ihre radikalen Originale um die verstörenden Spitzen betrügt. Der Versuch einer eigenen Interpretation ist ehrbar – was den Ursprüngen sklavisch unterworfene Remakes anrichten können, veranschaulicht Gus van Sants „Psycho“ –, nur scheinen die aufwändig produzierten Wiederverwertungen zu sehr den Gesetzmäßigkeiten des Marktes entsprechen zu wollen. Dem gegenüber steht Steven R. Monroes („House of 9“) zehrender Vergewaltigungs-Alptraum.

Sein „I Spit on Your Grave“, der von wesentlichen Zügen des Originals ebenfalls Abstand nimmt, wurde binnen drei Wochen für rund 1,5 Millionen Dollar gedreht. Ohne die Vorgaben durch ein Major Studio konnte der minimalistische Plot in gebotener Grausamkeit ausgewalzt werden. Die Story ist weiterhin schnell erzählt: In einer abgelegenen Hütte in Louisiana will die junge Autorin Jennifer Hills (beängstigend intensiv: Sarah Butler) ihren zweiten Roman vollenden. Dabei erregt sie die Aufmerksamkeit einer Gruppe Einheimischer (u.a. Jeff Branson, „Springfield Story“), die mit Unterstützung des widerwärtigen Sheriffs (abgründig: Andrew Howard, „Revolver“) über sie herfällt, in barbarischen Dominanz-Szenarien entwürdigt und schließlich brutal vergewaltigt. Dabei gelingt Monroe das Kunststück, den bestialischen Akt trotz erschreckender Ausdehnung nicht exploitativ auszuschlachten.

Dem Zuschauer wird vielmehr der eigene Voyeurismus vorgehalten, wenn sich die Distanz zwischen Film und Publikum mit Blicken durch die von einem der Täter geführte Videokamera aufhebt. Dem Grindhouse wendet sich der Regisseur erst zu, als sich das geschundene Opfer in Todessehnsucht in den nahen Fluss stürzt und nicht mehr aufzufinden ist. Die Peiniger kehren zur Normalität zurück. Aber Jennifer lebt und lässt ihre Vorstellung von Selbstjustiz mit perfiden Folterfallen – zumindest dahingehend kommt die erwähnte ´Generation Saw´ auf ihre Kosten – Realität werden. Ähnlich dem gescheiterten „Last House on the Left“-Remake zerfällt damit auch „I Spit on Your Grave“ in zwei stark differierende Teile. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass sich letzterer, respektive der konventionell(er) gestaltete Eskapismus des bei aller Brutalität stets legitimiert erscheinenden Rachefeldzugs, nicht entkräftender Übertreibung und perfiden Schauwerten hingibt. Auch nicht bei der analen Penetration mit dem Schrotgewehr.

Jennifer, das kehrt die überragende Sarah Butler mit steinerner Mine bis zum angedeuteten finalen Lächeln deutlich hervor, ist nur noch eine von Hass und Rachegelüsten getriebene Hülle. Wie ihr zerstörtes Leben weitergehen soll, bleibt ebenso offen wie die Umstände ihrer Rückkehr. Überhaupt besteht die in erdig verwaschene und angenehm unstilisierte Bilder gehüllte Erzählung allein aus Gewalt und Gegengewalt. Beim Rückschlag bedient sich die junge Frau, ganz anders als in Meir Zarchis ´78er-Vorläufer, einem eher maskulinen Vorgehen. Der weibliche Körper und sexuelle Reize werden nicht als Waffe eingesetzt, sondern durch eine pragmatische Zweckentfremdung von Alltagsgegenständen ersetzt. Das geschlechtsspezifische Rollenverständnis der brutalen Rednecks wird so letztlich umgekehrt. Ungeachtet solch diskursiver Ansätze führt Monroe das Terrorkino dahin zurück, wo es weh tut. Allerdings sorgt er aufgrund der sadistischen Tendenzen auch für reichlich kontroversen Zündstoff.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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