Hugo Cabret (USA 2011)

hugo-cabret„If you’ve ever wondered where your dreams come from, you look around… this is where they’re made.“ – George (Méliés)

Martin Scorsese liebt und lebt Kino – in all seinen historischen Facetten. Den für sämtliche verbliebenen Zweifler finalen Beweis erbrachte der Oscar-gekrönte Meisterregisseur („The Departed“) mit seiner üppigen Dokumentationsreihe „Filmgeschichte weltweit“. Mit dem beim Kinostart irrtümlich als Familienfilm propagierten „Hugo Cabret“ geht er gar noch ein Stück weiter. Denn die auch von ihm (und Johnny Depp) produzierte Wahrheitsfindung aus Kinderperspektive ist eine tiefe Verbeugung vor der Stummfilm-Ära, in der die Bilder laufen lernten und die Welt im Sturm eroberten.

Dass das geschätzt 170 Millionen Dollar teure Werk seine immensen Kosten kaum würde einspielen können, schien erahnbar. Und tatsächlich wirkt die aus Sicht des Waisenknaben Hugo Cabret (Asa Butterfield, „Der Junge im gestreiften Pyjama“) erzählte Geschichte bisweilen etwas verkopft, fast als hätte Scorsese den Film vorrangig für sich gemacht und nicht, um ihn mit der Welt zu teilen. Der Faszination bereitet das jedoch keinen Abbruch, was insbesondere an der imposanten Optik und der rauschhaften Ausstattung liegt. Nicht umsonst wurde „Hugo Cabret“ mit fünf Oscars ausgezeichnet. Wenn auch „nur“ in technischen Kategorien, für visuelle Effekte, Produktionsdesign, Kamera sowie Soundschnitt und -mix.

Das Jahr ist 1931 und jener Hugo lebt im Pariser Bahnhofsgebäude, wo er mit dem Trinksüchtigen Onkel (Ray Winstone, „Sexy Beast“) die Uhren am Laufen hält. Als sein Vormund verschwindet, nimmt er, von der Außenwelt unbemerkt, dessen Platz ein, versteckt sich vor dem strengen Stationsinspektor („Borat“-Star Sacha Baron Cohen) und lernt die so bücherversessene wie abenteuerlustige Isabelle (Chloë Grace Moretz, „Kick-Ass“) kennen. Ihr Ziehvater, der verbitterte Spielzeugverkäufer George (Ben Kingsley, „Shutter Island“), nimmt Hugo die Anleitung für einen Schreibautomaten in Menschenform weg, den dessen Vater (Jude Law, „Sherlock Holmes“) vor seinem plötzlichen Tode zu reparieren versuchte.

Gemeinsam mit Isabelle setzt Hugo fortan alles daran, die Skizzen und damit verbunden das Vermächtnis seines Vaters zurückbekommen. Ihre Bemühungen fördern jedoch ein Geheimnis über Georges Vergangenheit zutage, das dieser mit aller Vehemenz zu verbergen sucht. Aus der in beharrlicher Ruhe ausgebreiteten Spurensuche destilliert Scorsese Realität gewordene Träume und bringt diese lautmalerisch pulsierend auf die Leinwand. In Ausstattung, Schnitt und Kameraführung steckt „Hugo Cabret“ voller Anspielungen auf die Stummfilmära, die Gebrüder Lumiére, an Charlie Chaplin und natürlich George Méliés sowie dessen berühmtestes Werk „Die Reise zum Mond“ (1902).

Dabei ist Scorseses bildgewaltige Ode an die Pionierzeit des Kinos nur augenscheinlich ein Film für Kinder. Zwar mag er selbst mit geradewegs kindlicher Begeisterung an das Projekt herangegangen sein, will Kino aber unbedingt wieder als Magie und nicht selbstverständlichen Zeitvertreib verstanden wissen. Für Scorsese sind die bewegten Bilder etwas Besonderes, ja geradezu Einzigartiges. Natürlich fällt es nach mehr als 100 Jahren Film – und der dazwischen liegenden (übersättigenden) Entwicklung des Mediums – schwer, diesen Blickwinkel vollauf zu teilen. Aber „Hugo Cabret“ ist trotz dieser scheinbaren Distanz ein ungemein sehenswertes und vor allem mit Herz und Hingabe inszeniertes Opus, das das Kino zumindest kurzzeitig an seinen explorativen Ursprung zurückzuführen vermag.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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