Hotel Ruanda (USA/GB/I/ZA 2004)

hotel-ruandaMit der Verfilmung von Tragödien ist das so eine Sache. Mal versuchen die Macher, die Tränendrüse aufs unerträglichste zu strapazieren, mal versteifen sie sich sklavisch auf Fakten und Details, so dass der Film völlig am Zuschauer vorbeigeht. Die Balance zwischen Fakten, Authentizität und Publikumsfreundlichkeit zu finden, gehört wohl zum schwersten, was ein Drehbuchautor oder Regisseur leisten muss. Terry George ist als Regisseur bislang eher selten in Erscheinung getreten, doch schon sein Erstling „Some Mother’s Son“ behandelt eine wahre Begebenheit – den Hungerstreik von irischen Häftlingen in einem britischen Gefängnis. Jetzt nahm er sich einem der schwierigsten Themen der vergangenen Jahre an – dem Völkermord der Hutu an den Tutsi.

Kigali im Jahr 1994. Der seit dem Abzug der belgischen Kolonialmacht schwelende Konflikt zwischen den Hutu und den Tutsi heizt sich immer mehr auf. Um die Lage zu entspannen, unterschreibt der ruandische Präsident ein Friedensabkommen mit den Tutsimilizen. Doch auf seinem Rückweg nach Kigali wird sein Flugzeug abgeschossen. Jetzt eskaliert die Lage. Mobs aus marodierenden Hutus ziehen durch das Land und schlachten alle Tutsis ab, die sie finden können. Hotelmanager Paul Rusesabagina (Don Cheadle, „Ocean’s Eleven“) ist eigentlich ein unpolitischer Mensch. Doch durch seine Arbeit knüpft er gute Kontakte zu den mächtigen Ruandas und der Welt. Mit diesen hofft er, seine Frau Tatiana (Sophie Okonedo, „Ace Ventura – Jetzt wird’s wild“), eine Tutsi, und seine Kinder zu retten. Doch die internationale Gemeinschaft versagt jegliche sinnvolle Unterstützung. Im Hotel beherbergt Paul nun Flüchtlinge und hofft auf Hilfe von außerhalb.

„Hotel Ruanda“ meistert den oben erwähnten Spagat äußerst gelungen. Der Film verzichtet zwar völlig auf Bilder von schlachtenden Massen, die mit Macheten eine Spur von Blut hinterlassen, dennoch besitzt das Drama eine angespannte, ungemein grausame Intensität. Ganz ohne Leichenberge wird zwar nicht ausgekommen, doch viel eindrucksvoller sind die Geräusche von Macheten, die über den Steinboden gezogen werden oder die monoton düstere Stimme des Hutu-Radiosenders, der die Situation immer weiter anstachelt. Don Cheadle ist eine reine Offenbarung. Wer diesen Mann noch aus Serien wie dem „Golden Girl’s“ Spin off „Golden Palace“ oder „Picket Fences“ kennt, wird von dem neu gewonnen Profil des Mimen beeindruckt sein. Spätestens jetzt ist es nicht mehr nachvollziehbar, warum erst Darsteller wie Denzel Washington oder sogar Will Smith im Gespräch für die Rolle des Paul diskutiert wurden. Eine verdiente Oscar-Nominierung später findet Cheadle nun hoffentlich in die Riege der Darsteller, die nicht nur angerufen werden, wenn Washington keine Zeit hat.

Auch Nick Nolte („Herr der Gezeiten“) als Kommandeur der Uno-Schutztruppe, ein völlig desillusionierter Mann, der mit 400 Blauhelmen die Lage unter Kontrolle bekommen soll, ohne dass diese schießen dürfen, spielt nach etwas lustlosen Auftritten wie in „Hulk“ wieder deutlich überzeugender. Joaquin Phoenix („The Village“) gibt den einzigen Vertreter westlicher Staaten, der mehr Mitleid als Pragmatismus an den Tag legt. Er spielt den Kameramann eines Nachrichtenteams, das natürlich evakuiert wird, sobald die Lage immer gefährlicher wird. Insgesamt ist Terry George ein sehr bewegender Film gelungen, der kein gutes Blatt an der Staatengemeinschaft lässt. Immer wieder werden Originalradiodurchsagen eingespielt, in dem sich westliche Diplomaten vor den Fragen der Reporter winden, um das Wort „Völkermord“ zu vermeiden, das nicht nur moralisch dazu verpflichtet hätte, entschiedener einzugreifen. Es bleibt ein bisschen Fragwürdig, warum ein französischsprachiges Land im Film vollständig anglisiert wird, über solche Dinge kann man allerdings hinwegsehen. Dazu ist der Film zu gut.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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