Half Nelson (USA 2006)

half-nelson„One man alone means nothing.“ – Daniel

Das Individuum für sich genommen kann nicht viel ausrichten. Zumindest in Phasen des Umsturzes. High School-Lehrer Daniel Dunne (Oscar-nominiert: Ryan Gosling, „Lars und die Frauen“) bringt seinen Schülern in Geschichte historische Meilensteine der Bürgerrechtsbewegung näher. Mit Geduld und Einfühlungsvermögen geht er auf seine zumeist schwarzen Schüler ein. Er zeigt Verständnis und versucht sie frei von Autorität zu motivieren. Doch die Fassade des Musterpädagogen täuscht. Hinter ihr verbirgt sich ein Drogenwrack, das ohne Kokain kaum durch den Tag kommt.

Nach Vorlage seines eigenen Kurzfilmes „Gowanus, Brooklyn“ folgt Regisseur und Co-Autor Ryan Fleck seiner Hauptfigur. „Half Nelson“ ist ein lakonisches Independent-Drama, unaufgeregt erzählt und durchweg glänzend gespielt. Die nüchterne Charakterstudie wird von der direkten, gern unscharfen Handkamera unterstützt. Sie bleibt dicht bei Einzelgänger Daniel, der bei abendlichen Gelagen flüchtige Bekanntschaften schließt. Manchmal springt Sex dabei heraus. Feste soziale Bindungen jedoch hat er keine. Einer Freundschaft am nächsten kommt seine Beziehung zu Drey (Shareeka Epps, „Neal Cassady“), eine seiner Schülerinnen.

Die erwischt ihn beim Crack-Absturz auf dem Klo. Der Vorfall bleibt ein Geheimnis, doch nimmt sie ihre Mitwisserschaft zum Anlass, Raum im Leben des Lehrers zu beanspruchen. Für die Charakterisierung der Protagonisten nimmt sich Fleck viel Zeit. Gestrafftes Erzähltempo sucht man vergebens. Er zeigt, was es zu zeigen gilt und erlaubt sich Aussparungen. Allen voran solche, die wertend erscheinen könnten. Verurteilt wird niemand. Weder Daniel, noch sein Dealer Frank (Anthony Mackie, „Million Dollar Baby“). Der ist ein Freund von Dreys Bruder, der im Gefängnis einsitzt. Während er ein Auge auf sie hat, erledigt sie für ihn Botengänge.

Daniel versucht sie vor seinem Einfluss zu bewahren. Als Individuum könnte er zumindest an dieser Stelle einen Umbruch bewirken und endlich etwas tun, das Wirkung zeigt. Konflikte sind damit zwangsläufig vorprogrammiert. In ihnen jedoch werden keine Gefühle ausgestellt, ja nicht einmal im Sinne dramaturgischer Konvention Lösungsansätze offenbart. Die schlussendlichen charakterlichen Entwicklungen, ohne die sich schlicht überhaupt nichts bewegen würde, fallen nur minimal aus. Sie sind lediglich Auslöser möglicher Veränderungen. Eine Rasur genügt bereits als erstes Anzeichen. Ein ganz großes kleines Werk.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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