Grace is Gone (USA 2007)

grace-is-goneDer Grat zwischen Emotionalität und Sentimentalität ist ein schmaler. Zumindest im US-Kino, wo der Kitsch das Drama gern zum überzuckerten Rührstück formt. Ausnahmen jedoch gibt es reichlich. Die müssen nicht zwingend distanziert und nüchtern sein, sie müssen das Menschliche einfach nur abbilden können, ohne am inszenierten Ballast des Herzschmerzes zu ersticken. Autorenfilmer James C. Strouse gelingt dies bei seinem Debüt „Grace is Gone“ mit Bravour. Wenn auch, und da werden sich die Geister scheiden, mit fast radikaler Verweigerung vor den Konventionen des gängigen Erzählkinos.

Da ist keine klar strukturierte Geschichte, vielmehr gleicht das Melodram einer episodischen Zustandsbeschreibung, einem Essay über Verlust, Enttäuschung und Trauer. In der Hauptrolle besticht John Cusack („High Fidelity“), der den konsequent leisen Film auch produzierte. Hinter großen Brillengläsern äugt er hervor, der Gang schlurfend, die Haltung gebeugt. Er spielt Stanley Phillips, gestrenger Vater zweier Töchter und Gatte einer im Irakkrieg dienenden Soldatin. Als Patriot hinterfragt er den Sinn ihres Einsatzes für das Vaterland nicht. Es gehört sich so. Nur zu gern wäre er denselben Weg gegangen. Die Augen aber sind zu schlecht für den Dienst an der Waffe.

Groß ist die Enttäuschung, noch größer der Schmerz. Denn eines Morgens stehen zwei uniformierte Männer vor ihm und unterrichten ihn mit bürokratischer Kälte über den Tod von Grace, seiner Frau. Und obwohl seine Welt in diesem Augenblick zusammenbricht, lässt er der Trauer keinen Lauf. Stattdessen nimmt er die Kinder Heidi (bemerkenswert: Shélan O´Keefe) und Dawn (Gracie Bednarczyk) und fährt los. Das Ziel ist ein Vergnügungspark im entfernten Florida. Erst nach einem Tag der unbeschwerten Freude will er ihnen vom Tod der Mutter erzählen. Dabei ist der Weg weder das Ziel noch zwingend als Entlastung der Kinder gedacht, sondern entspricht mehr Stanleys Flucht vor der Verantwortung, sich der eigenen Verzweiflung und Rolle zu stellen.

Der Krieg selbst spielt bei Strouse keine übergeordnete Rolle. Er wird thematisiert, Kritik aber eher unter der Oberfläche geübt. Nur selten tritt sie so offen zutage wie in den Ansichten von Stanleys Bruder (Alessandro Nivola, „Laurel Canyon“). Die Zurückhaltung der Inszenierung mit ihren fast dokumentarischen Bildern, dazu die lakonische Musik von Meisterregisseur Clint Eastwood („Letters From Iwo Jima“), tragen zur Sprödheit des Werkes bei. Durch sie, und mag sie den Film in seiner emotionalen Distanz auch unweigerlich ins Spartenkino drängen, entsteht eine Besonderheit, die keiner zielgerichteten Botschaft bedarf. Das Stimmungsbild bleibt von einer tiefen Traurigkeit erfüllt, die keinen Optimismus duldet, keine melancholische Verschrobenheit, ja nicht einmal eine diskursive Plattform bietet. Eine gemeingültige Antwort gäbe es ja doch nicht.

Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

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