Gozu (J 2003)

gozumiikeLange musste man warten auf die deutsche Veröffentlichung von „Gozu“, Takashi Miikes „Yakuza Horror Theater“. Bereits auf dem Fantasy Film Fest 2003 aufgeführt, kommt die undurchsichtige Farce erst jetzt zu Ehren einer Auswertung auf DVD. Nach einem Drehbuch von Sakichi Sato („Ichi – The Killer“) – dem Charlie Brown aus Tarantinos „Kill Bill“ – spinnt der Tabulose Schockmeister Miike einen faszinierenden, oft verstörenden Film zwischen Road-Movie und Mystery-Thriller, David Lynch und „Twilight Zone“. Dabei verzichtet „Gozu“ fast vollständig auf Blut und Gewalt, doch werden die Grenzen konventioneller Unterhaltung ein ums andere mal durch visuelle Abgründigkeiten gesprengt.

Der schüchterne Yakuza Minami (Hideki Sone, „Zebraman“) ist geprägt von ehrfürchtigem Respekt für seinen „Bruder“ Ozaki (Sho Aikawa, „Muscle Heat“), der ihm einst das Leben rettete. Beide sind Mitglieder des Azamawari Clans, doch wecken Ozakis extreme Gewaltausbrüche und sein paranoides Gebahren den Unmut seiner Vorgesetzten. Heimlich wird Minami damit beauftragt, den „Bruder“ in Yakuza-typischer Manier auf der Müllkippe im ländlichen Nagoya zu entsorgen. Doch durch ein Missgeschick stirbt Ozaki bereits vor der Ankunft am Zielort. Als Minami daraufhin eine Tasse Kaffee trinken will, ist die Leiche plötzlich verschwunden. Die Suche nach dem leblosen, aber offenbar bewegungsfreudigen „Bruder“ wird für den Yakuza schnell zur albtraumhaften Odyssee, scheint Nagoya doch übervölkert von absonderlichen Gestalten.

Nach der irrwitzigen Eingangssequenz, in der Ozaki vor den Augen seines Bosses den vermeintlichen Zwergpinscher einer Passantin als gefährlichen Spitzel eines gegnerischen Syndikats entlarvt und auf dem Gehsteig zu Tode prügelt, wird das narrative Tempo schnell bis zur Bewegungslosigkeit heruntergefahren. Die Einstellungen und Perspektiven von Kameramann Kazunari Tanaka („Dead or Alive 2+3“) verharren oft minutenlang an einem Fleck, kleben förmlich an einem einzigen Fluchtpunkt. „Gozu“ entwickelt keinerlei Dynamik, Miike hat es nicht eilig seinen Film vorschnell ans Ziel zu führen. Als daraus entstehendes Manko zieht sich der surreale Höllentrip streckenweise kaugummiartig in die Länge.

Wie Nebenfigur Ozaki verliert auch „Gozu“ bald den Bezug zur Realität. Sei es der Yakuza-Führer, der nur mit Schöpfkelle im Anus eine Erektion bekommt, milchige Flüssigkeit, die in einer heruntergekommenen Pension von der Decke tropft oder ein Mensch mit Kuhkopf, Takashi Miike präsentiert einmal mehr ein bizarres Panoptikum entarteter Episoden. Der tiefschwarze Humor, die am Rande des Wahnsinns agierenden Darsteller und die entfesselten Cello-Klänge von Miikes Stammkomponist Koji Endo verbinden sich so zu einem undurchsichtigen Geflecht aus Loyalität und Sinnsuche, Homoerotik und Muttermilch.

Spätestens mit Ozakis Verwandlung in eine aufreizende junge Frau (Kimika Yoshino, „Unlucky Monkey“) driftet der Film endgültig in die skurrilen Sphären übergroßer Fragezeichen und entlässt den Zuschauer nach gnadenlos kitschigem Ausklang – dem eine wahrhaft explizite Wiedergeburt vorausgeht – in einen Zustand innerer Unbefriedigung. Dass Takashi Miike ein wandlungsfähiger Regisseur ist, stellt er auch mit „Gozu“ eindrucksvoll wie farbenfroh unter Beweis. Doch bei aller technischen Versiertheit dominiert am Ende die kaum zu interpretierende Überfrachtung von Symbolik und Metaphorik.

Wertung: 6.5 out of 10 stars (6,5 / 10)

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