Get the Gringo (USA 2012)

get-the-gringoMel Gibson hat sich in den letzten Jahren wahrlich alle Mühe gegeben, in der Öffentlichkeit als cholerischer Arsch dazustehen. Neben antisemitischen sowie homo- und xenophoben Gefühlsäußerungen ließ er sich nebst alkoholisierter Fahrzeugführung auch nicht von häuslicher Gewalt abbringen. Dass Hollywood folglich eine Barrikade für den ehemals sympathischen Leichtfuß aufstellte, dürfte niemanden ernsthaft verwundern. Seine letzten Filme, „Edge of Darkness“ und „Der Biber“ floppten, der darauf folgende Gangster-Streich „Get the Gringo“ bekam in den USA lediglich einen „Video-on-Demand“-Start spendiert. Und selbst das nur mit zweijähriger Verspätung. Doch dies Schicksal haben Film und Regie-Neuling Adrian Grunberg, der Gibson bei „Apocalypto“ assistierte, keineswegs verdient. Im Gegenteil.

Driver (Gibson) hat es geschafft. In seinem Wagen liegen mehrere Millionen Dollar cash. Allerdings auch ein angeschossener, blutspuckender Kumpan im Clownskostüm. Das kleine Heer US-Gesetzeshüter im Nacken ist auch ein (kleines) Problem. Den Grenzzaun gen Mexiko kann er zwar noch spektakulär durchbrechen, dort warten jedoch schon die korrupten einheimischen Bundesbeamten auf den Pechvogel. Über das konfiszierte Diebesgut freuen sich die schlecht bezahlten Muchachos natürlich sehr, Driver hingegen wird ohne langes Gerede nach El Puablito, dem allseits bekannten Gefängnisdorf in Tijuana, verfrachtet. Die von hohen Mauern umringte und korrupten (was auch sonst?) Wärtern bewachte Siedlung ist alles andere als ein klassisches Gefängnis. Die Familien der Insassen dürfen ein und ausgehen, ja sogar mit ihnen dort leben und krumme Geschäfte, von Drogen- und Organhandel bis hin zur Prostitution, sind eine Selbstverständlichkeit.

Für Ordnung sorgt Knastpate Javi (Daniel Gimenez-Cacho). In diesem befremdlichen Mikrokosmos freundet sich Driver schnell mit einem gewitzten Zehnjährigen (grandios: Kevin Hernandez) und seiner Mutter (Dolores Heredia) an, die beide, wie Driver auch, während des kompletten Films namenlos bleiben. Doch die Idylle währt nicht lange, hat es Javi doch auf die Leber des Jungen abgesehen. Als dann auch noch Drivers alte Auftraggeber – darunter Peter Stormare („Lockout“) – auftauchen und das gestohlene Geld zurückverlangen, ist die Kacke am dampfen. Aber alle scheinen den Driver gewaltig unterschätzt zu haben, steckt in diesem doch weit mehr als nur ein gewöhnlicher Ganove. Vor allem keiner, der keineswegs bereit ist, kampflos aufzugeben.

„Melraiser“, wie Gibson in den Foren schon quasi-liebevoll genannt wird, scheint es trotz allen privaten Trubels nicht vergessen zu haben, was seine (noch loyalen) Fans filmisch von ihm erwarten. Das von ihm mit Regisseur Grunberg erdachte Szenario bietet großen Unterhaltungswert und einiges Kult-Potenzial. Der Driver ist eine Mischung aus den Gibson-Veteranen Riggs („Lethal Weapon“) und Porter („Payback“), der aber auch zum „Mad Max“ mutieren kann, wenn er denn sein eigenes oder das Leben seiner Schützlinge bedroht sieht. All die Kontroversen um seine Privatperson können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein unbekümmert-desolater Charme vor der Kamera nach wie vor wunderbar funktioniert. So ertappt sich der Zuschauer doch schnell dabei, Sympathien für den pfiffigen Antihelden aufzubauen. Zumal er neben großer krimineller Energie auch ein großes Herz beweist.

Neben dem bestens aufgelegten Gibson überzeugen auch die geistreichen Dialoge und nicht zuletzt die überschaubaren, aber überaus blutigen Actionsequenzen. Beim letztgenannten sticht besonders die in Zeitlupe abgehandelte Schießerei innerhalb der Gefängnismauern heraus, ein Sam Peckinpah und ein John Woo wären sicherlich begeistert – letzterer wohl auch ohne die fehlende Taube in Großaufnahme. Der rabenschwarze Humor tut ebenfalls sein übriges. Drivers furztrockene Kommentare aus dem Off fangen das oft absurde Treiben höchst amüsant ein. So ist „Get the Gringo“ für Hardcore-„Mad Mel“-Fans ein absolutes Muss, aber auch solche, die es (wieder) werden könnten, sind hier definitiv nicht im falschen Film. Eine überaus spaßige Angelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte und die uns beweist, wie schmerzvoll wir den alten Tausendsassa im kommenden „Mad Max“-Aufguss vermissen werden.

Wertung: 7.5 out of 10 stars (7,5 / 10)

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