Gentleman Joe – Der Rächer bin ich (I/E 1967)

gentleman-joeWer sagt, die Helden des Spaghetti-Westerns müssten immer staubbedeckte und unrasierte Düstermänner sein? Es geht doch auch anders, im Falle von Gentleman Joe sogar sichtlich gepflegt. „Aufgeputzt wie ein Rummelpferd“ kommt er ins Grenznest Douglas, deren amerikanische Bewohner die Entscheidung erwarten, ob ihre Stadt territorial den USA oder Mexiko zugesprochen wird. Vor Ort ist auch Militär stationiert. Weil Befehlshaber Clay aber mit der zeitnahen Ankunft der Ablösung rechnet, lässt er die Truppe ohne Gewissheit abmarschieren. Ein schwerer Fehler, denn der geplante Wechsel findet nicht statt. Mit Waffengewalt hat ihn der mexikanische Banditenführer Ferreres (Eduardo Fajardo, „Mercenario – Der Gefürchtete“) unterbunden. Und der will nicht weniger als Douglas unterjochen. Nur mit dem gepflegten Reisenden hat er nicht gerechnet, der seine Pläne wiederholt durchkreuzt.

Antonio De Teffé („Spiel dein Spiel und töte, Joe“), unter dem bekannten Pseudonym Anthony Steffen gelistet, spielt Gentleman Joe, der eigentlich Shamango heißt, mit geradezu diebischer Freude. Das will anfangs nicht so recht in sein typisches Rollenbild des grimmigen Einzelgängers fallen, macht ihn aber gerade wegen seiner hier offenbarten Wandlungsfähigkeit zur Idealbesetzung. Trotz Etikette der Hauptfigur wird der Film nicht zum Benimmreport. Im Gegenteil. Denn auch hier geht es um Rache und Gewalt als Ausdruck eines perfiden Gerechtigkeitssinnes. Clay und Shamango sind nämlich Brüder – mit verschiedenen Auffassungsgaben über Disziplin und militärischen Drill. Der erste brachte es zum kommandierenden Offizier, der zweite wurde wegen zu häufiger Frönung der Spielsucht des Staatsdienstes verwiesen.

Das kühle Wiedersehen endet hitzig. In der folgenden Nacht fällt Clay einem Überfall von Ferreres und seinen Männern zum Opfer. Joe kommt gerade noch rechtzeitig, um die Erhängung des Bruders durch zwei verbliebene Strolche zu unterbinden. Den Tod des Schwerverletzten kann er jedoch nicht mehr verhindern. Er versteckt die Leiche, streift sich deren Uniform über und probt als scheinbar unbesiegbarer US-Kommandant den Guerillakrieg. Wie ein Phantom taucht er auf, erledigt vereinzelt oder gleich in Scharen seine Gegner und verschwindet wieder. So nähert sich der eilte Geck nachhaltig doch wieder dem bekannten Rollenbild De Teffés an. Trotz einer gewissen Schlitzohrigkeit bleibt seine Darbietung frei von Ironie. Der wilde Westen ist schließlich kein Ponyhof.

Regisseur Giorgio Stegani („Adios Gringo“) bietet im Grunde nichts neues, verpackt die gebräuchlichen Muster aber in angenehme Schnörkellosigkeit und bleihaltige Brutalität. Letzte zeigt sich vor allem in der beizeiten unvorteilhaft nah am Geschehen postierten Kamera, die in Körper dringende Kugeln wiederholt aus kurzer Distanz filmt. Die Stimmung, düster und umspielt von akuter Trostlosigkeit, erinnert an Leones „Für eine handvoll Dollar“. Auch dort diente das zerklüftete Grenzgebiet als Schauplatz munteren Massensterbens. Der Unterschied zwischen Eastwood und De Teffé aber könnte größer nicht sein. Während bei Leone die eigene Bereicherung die Bestrafung der Bösen begünstigt, entstammt sie hier tatsächlich dem Inneren des Helden. Wenn er zu Bankierswitwe Morris nach Rettung ihrer Tochter sagt, dass es gut tut, Menschen wie ihr zu helfen, sagt das einiges über die Beschaffenheit des Charakters aus.

Aus der mit Wonne zu Werke gehenden Besetzung ragt neben dem Hauptdarsteller vor allem dessen Gegenspieler Eduardo Fajardo hervor. Wenn er einen Gefolgsmann zum eigenen Vergnügen durch den Kosenamen Muchachito wiederholt an den Rand der Raserei treibt, spielt er gekonnt verschiedene Tiefenebenen des Charakters aus. Auch am Ende, wenn er Joe mit Whisky abfüllen lässt um sich einen Scherz mit ihm zu erlauben, zeigt sich der diabolische Spieltrieb des Bandenführers. Auf einen klassischen Showdown wird in der Folge verzichtet, die Situation am etwas abrupten Schlusspunkt lieber mit einer kleinen Überraschung bereinigt. „Der Rächer bin ich“ ist ein flotter Western mit einer gehörigen Portion Action und nebenbei gut herausgearbeiteten Figuren. Herz, was willst du mehr?

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

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