Gefahr: Diabolik (I/F 1968)

gefahr-diabolikFällt der Name Mario Bava, wird dieser meist mit Italo-Horrorklassikern wie „Blutige Seide“ (1964) oder „Im Blutrausch des Satans“ (1971) in Verbindung gebracht. Dabei hat des Altmeisters Repertoire neben Horrorfilmen auch Sandalenschinken, Western und Abenteuerfilme zu bieten. Im schicksalhaften Jahr 1968 traute Bava sich auf neues Terrain und widmete sich einem in seiner Heimat Italien sehr erfolgreichen Comic zu: Diabolik! Der damals schon unermüdliche Dino De Laurentiis („Flash Gordon“), der das Abenteuer des Meisterdiebs produzierte, besorgte eine unglaubliche Unsumme von 3.000.000 $, was für Bava ein gigantisches Budget bedeutete. Da seine vorherigen und auch zukünftigen Filme aber tatsächlich oft teurer aussahen, als sie es letzten Endes wirklich waren, bleibt die Frage, was der Regisseur aus dem finanziellen Segen herausholte?

Doch muss anfangs geklärt werden, wer dieser Diabolik überhaupt ist. Im Jahre 1962, zeitgleich als in den USA der blasse Teenager Peter Parker von einer radioaktiven Spinne gebissen wurde und von ihr Superkräfte erhielt, ersannen in Italien die Schwestern Giussani die Figur des genialen aber auch gewissenlosen Meisterdiebs mit der schwarzen Maske, die zu einer der erfolgreichsten und langlebigsten italienischen Comicreihen überhaupt avancierte. Bereits sechs Jahre nach dem Erscheinen des ersten Heftchens drehte Bava die psychedelische Kinoversion, die hierzulande immer noch weitgehend unbekannt ist – aus welch unverständlichen Gründen auch immer.

Bavas filmische Interpretation erzählt weniger eine zusammenhängende Geschichte, als dass sie Episoden aus (wenig) ruhmreichen kriminellen Taten des Masterminds Diabolik (John Phillip Law, der blinde Engel Pygar aus „Barbarella“) und seines weiblichen Side-Kicks, die sich auch als seine Geliebte herausstellt, Eva Kant (sexy: Marissa Mell). Auf der anderen Seite des Gesetzes versucht Inspektor Ginko (Michel Piccoli, „Topaz“) verzweifelt dem Gaunerpärchen das Handwerk zu legen. Er geht sogar eine Allianz mit dem Gangsterboss Ralph Valmont (Adolfo Celi, Bond-Bösewicht Lardo in „Feuerball“) ein, um den Mann mit den tausend Gesichtern endlich dingfest machen zu können. Doch was sie auch versuchen, Diabolik kann seinen Hals immer aus der Schlinge ziehen.

Aus der Gestalt des identitätslosen Über-Kriminellen Diabolik können Versatzstücke verschiedenster literarischer Romanfiguren heraus gelesen werden. Ein bisschen Schurkenkollegen Fantômas und Arsène Lupin hier, eine Prise James Bond und Simon Templar da, auch etwas Robin Hood, Batman und nicht zu wenig Machiavellis Fürst – aber alles im Modus „absolut badass“. Denn Diabolik beklaut zwar die Reichen, beschenkt aber keineswegs die Armen, alle Beute geht für seine hedonistische Lebensweise drauf. Wunderbar ist da die Szene, in der er und seine Eva sich in seiner Grotte, eine Mischung aus Bat-Höhle und 60er Jahre Chill-Out Lounge, auf einem riesigen runden und sich drehenden Bett lieben – während es von der Decke Dollar Noten regnet! Der Raum pulsiert dabei in buntesten Farben, während aus den Boxen psychedelische Klänge erklingen, für die DER Ennio Morricone („Für eine Handvoll Dollar“) verantwortlich gemacht werden kann.

„Danger: Diabolik“, wie der Film international bekannt ist, ist nicht nur ein Film aus den Sixties, er IST ein Film über die Sixties – Austin Powers und Emma Peel würden sich hier pudelwohl fühlen. Der pop-artige Look schreit förmlich nur so vor Stil, wo man hinsieht springen einem Bunte Leuchten und grell reflektierende Spiegel ins Auge. In einer Szene bekommt der Zuschauer gar Einblicke in einen typischen 60er Jahre Club, in dem ein ansehnlicher Joint die Runde macht und alle rauchend auf dem Boden rumsitzen und zur zum Träumen einladender Easy Listening-Mucke vor sich hindösen. Das bringt zwar die eigentliche Geschichte nicht unbedingt voran, aber verdammt stylischer Zeitgeist ist es allemal. Heutzutage dürften die traumähnlichen Ambiente mit ihren schrillen Farbkompositionen und den damals schon als retro-futuristisch durchgehenden Designvorstellungen die Junggeblieben sicherlich zum Jauchzen bringen. Selten durfte der nostalgische Filmgeek so dankbar für gnadenloses „style over substance“ gewesen sein!

Diabolik, über den der Zuschauer so gut wie gar nichts erfährt, außer der Tatsache, dass er viel mit seiner blonden Ische rumknutscht (verübeln kann es ihm sicher keiner), kommt nicht selten aristokratisch arrogant rüber. Darüber hinaus spielt er mit sichtlichem Vergnügen seine Spielchen mit den Gesetzeshütern, denen er jederzeit gerne seine Superiorität auf die Nase bindet. Doch hat das nichts mit wohliger Beschaulichkeit zu tun, denn auch wenn sich all das irgendwie harmlos anhört, schreckt Diabolik dabei auch vor Mord bzw. Massenmord nicht zurück. Ob mit Messern oder Handfeuerwaffen, nicht wenige Polizisten müssen durch seine Hand ihr Leben lassen. Desweiteren sterben Menschen bei Zugentgleisungen, Autounfällen und Bombenanschlägen – alles von Diabolik höchstpersönlich in die Wege geleitet.

Und trotz all dieser Grausamkeiten, für die man Diabolik zu recht verantwortlich machen kann, dürfte kaum jemand nicht mit ihm fiebern und sich nicht freuen, wenn er der polizeilichen Gewalt wieder eins auswischen konnte. Dass er dann in der allerletzten Einstellung, in der sein Ende endgültig besiegelt zu sein scheint, doch noch dem Zuschauer entgegen zwinkert und signalisiert, dass es trotz der wirklich ausweglosen Situation noch nicht vorbei ist, dürfte für so manches Aufatmen gesorgt haben. Schade nur, dass Bava keine Lust mehr hatte den schon geplanten zweiten Teil zu realisieren. Für den ersten sollten wir ihm aber verdammt dankbar sein!

Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

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