Frankenstein (USA 1931)

frankenstein-1931„It´s alive! It´s alive!” – Henry Frankenstein

Wenn man heutzutage „Frankenstein“ erwähnt, wird ohne mit der Wimper gezuckt zu haben immer dasselbe assoziiert: der taumelnde, quadratköpfige Boris Karloff mit Elektroden im Hals. Dieses Bild ist mittlerweile aus der Film- und Popkultur nicht mehr wegzudenken, auch wenn es, sofern wir penibel sein wollen, nicht ganz richtig ist. Denn der moderne Golem hat eigentlich gar keinen Namen, Frankenstein ist eigentlich „nur“ der Wissenschaftler mit dem Gott-Komplex.

Die Geschichte, die lose auf der literarischen Vorgabe Mary Shelleys, „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ basiert, dürfte mittlerweile jedem Kind bekannt sein: Dr. Henry Frankenstein (in der deutschen Fassung in Herbert umbenannt), hat Phantastisches vor. Aus Kadavern, die er mit seinem buckeligen Gehilfen Fritz auf dem Friedhof ausbuddelt, will er einen neuen, lebendigen Menschen erschaffen. Seine Verlobte Elisabeth sorgt sich um ihren zukünftigen Gatten, der sich, abgeschottet von der Welt in eine alte Burg zurückgezogen hat, um seinen Plan zu verwirklichen. Das Experiment glückt, und das Unglück nimmt ausgerechnet am Tage der Hochzeit von Henry und Elisabeth seinen Lauf.

James Whale hat mit „Frankenstein“ einen zeitlosen Klassiker geschaffen, der auch nach mehr als sieben Jahrzehnten absolut nichts von seiner Faszination verloren hat. Dennoch hatte es der Film anfangs nicht leicht und die Kritik nahm ihn nicht überall gut auf. Man befürchtete sogar, er könnte solch ein Entsetzen beim Publikum heraufbeschwören, dass Universal Pictures vor dem Beginn des Streifens einen kurzen Prolog einbaute, in dem sich der Schauspieler Edward van Sloan, der im Film Henrys Mentor Dr. Waldman verkörpert, mit der Bemerkung an das Publikum wandte, dass die folgenden Bilder schockieren und erschrecken würden. Aus heutiger Sicht, und mit dem Hintergedanken an moderne „Schocker“ á la „Saw“ oder „Hostel“ ist diese kurze „Warnung“ einfach nur noch drollig.

In den 30er Jahren empfand man das Gesehene aber tatsächlich als so monströs, dass man den Film kürzen musste und zwei für die Geschichte übrigens sehr essentielle Szenen, der Schere zum Opfer fielen. In der einen setzt sich Henry mit dem Allmächtigen gleich, in der anderen zeichnet sich mit Monster und Mädchen am Fluss eine Tragödie ab. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert, sodass sie mittlerweile (auf DVD) wieder ins Geschehen einmontiert wurden. Dass „Frankenstein“ für die (Horror-)Kinematographie von enormer Wichtigkeit werden würde, hat anno 1931 sicherlich niemand erwarten können. Regisseur Whale orientierte sich, wie schon erwähnt, weniger an Shelleys Roman als an Bühnenadaptionen, die schon kurz nach der Veröffentlichung im Jahre 1818 das Theaterpublikum das Schaudern lehrten.

Whale gab in seinem deutlich vom deutschen expressionistischen Film inspiriertem Meisterwerk Motiven ein Gesicht, die schon zuvor in der literarischen Welt des Grauens ersonnen wurden und die für die Zukunft des Horrorfilms wichtige Komponenten werden sollten. So etwa der „Mad Scientist“, der eigentliche Motor hinter den unzähligen Ungeheuerlichkeiten, die die Welt noch bedrohen sollen. Zwei signifikante Aspekte dürfen ebenso nicht unerwähnt bleiben. Zunächst einmal die eminente Kameraarbeit Arthur Edesons, besonders, weil sie für die damalige Zeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit war. Ungewöhnliche Perspektiven, viele Gesichts-Close-Ups, Schattenspiele und eindrucksvolle Bewegungsmuster der Kamera haben die Arbeiten von Generationen späterer Filmemacher geprägt.

Das Herzstück des Films ist natürlich das Monster, durch das Boris Karloff, obwohl er zuvor schon in über 80 Filmen (!) sein markantes Gesicht zeigen durfte, zur unsterblichen Ikone Hollywoods wurde. Das Design des Maskenbildners Jack Pierce ist ein Meisterstück, es ist nur als sensationell zu bezeichnen und machte Frankensteins Homunculus zu einem der bekanntesten und beliebtesten Monster-Kreaturen überhaupt. Ursprünglich sollte dem zusammengesetzten Ungetüm übrigens „Dracula“-Star Bela Lugosi seine Statur leihen, der befürchtete aber, dass sein hübsches Gesicht unter der Maske unerkannt bleiben würde.

Dennoch wurde Lugosi Teil des „Frankenstein“-Universums. Im zweiten Sequel, in dem Karloff übrigens das letzte Mal als die Kreatur zu sehen war, spielte er Ygor, den buckligen Gehilfen des experimentierenden Barons. Vier Jahre später, im ersten Crossover der beliebten Universal-Monster, „Frankenstein trifft den Wolfsmenschen“, schlüpfte er dann doch noch in die Rolle des klotzigen, reanimierten Ungeheuers.

Bald 80 Jahre hat James Whales Glanzstück nun auf dem Buckel. Unzählige Male durfte die Kreatur seitdem wieder auf Zelluloid gebannt werde. In Sequels, Parodien, Remakes etc. bangten wir mit dem bemitleidenswerten Riesen, als er u.a. auf Abbot und Costello traf, eine Braut und einen Sohn bekam oder von Mel Brooks persifliert wurde („Frankenstein Junior“). Und ein Ende ist keineswegs in Sicht. Ausnahme-Regisseur Guillermo del Toro plant schon lange, den wahnsinnigen Frankenstein zeitgemäß Gott spielen zu lassen und für 2011 ist die Verfilmung der noch nicht einmal erschienen Comicreihe „I, Frankenstein“ geplant.

Vom Besten „Frankenstein“ aller Zeiten erschien 2002 bei Universal eine wunderbare restaurierte DVD, die der Klassiker wahrlich verdient hat. Die Bild- und Tonqualität ist für einen Film diesen Alters bemerkenswert, das Bonusmaterial sehr lehrreich („Die Frankenstein Akte“), aber auch witzig (der Kurzfilm „Boo“, ein Zusammenschnitt von „Nosferatu“ und „Frankenstein“). „Es lebt! Es lebt!“ Und so wird es für immer sein.

Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

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